Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 179)

Das ist so die Regel. Ist überhaupt erst ein Anfang da, so laufen die Dinge von selber weiter, und die Leute lassen einen nicht wieder los, halten einen fest, man mag wollen oder nicht. Ich hätte vielleicht alles schon längst wieder aufgegeben; man will’s aber nicht. Einigen gereicht es zur Befriedigung, mich für einen Querkopf halten zu können, und andre sprechen wenigstens von Originalitätshascherei. Man muß eben allerhand über sich ergehen lassen.«

31. Kapitel

Um fünf Uhr brachen Woldemar und die Barbyschen Damen auf, um den Zug, der um sieben Uhr Gransee passierte, nicht zu versäumen. Es dunkelte schon, aber der Schnee sorgte für einen Lichtschimmer; so ging es über die Bohlenbrücke fort in die Kastanienallee mit ihrem kahlen und übereisten Gezweige hinein.

Lorenzen war noch im Schlosse zurückgeblieben und setzte sich, um wieder warm zu werden – auf der Rampe war’s kalt und zugig gewesen –, in die Nähe des Kamins, dem alten Dubslav gegenüber. Dieser hatte seinen Meerschaum angezündet und sah behaglich in die Flamme, blieb aber ganz gegen seine Gewohnheit schweigsam, weil eben noch eine dritte Person da war, die von den liebenswürdigen Damen, über die sich auszulassen es ihn in seiner Seele drängte, ganz augenscheinlich nichts hören wollte. Diese dritte Person war natürlich Tante Adelheid. Die wollte nicht sprechen. Andrerseits mußte durchaus der Versuch einer Konversation gemacht werden, und so griff denn Dubslav zu den Gundermanns hinüber, um in ein paar Worten sein Bedauern darüber auszudrücken, daß er die Siebenmühlner nicht habe mit heranziehn können. »Engelke sei so sehr dagegen gewesen.« All dies Bedauern – wie’s der ganzen Sachlage nach nicht anders sein konnte – kam flau genug heraus, aber die Domina war so hochgradig verstimmt, daß ihr selbst so nüchterne, das Verbindliche nur ganz leise, nur ganz obenhin streifende Worte schon zuwider waren. »Ach, laß doch diese geborne Helfrich«, sagte sie, »diese Tochter von dem alten Hauptmann, der die Schlacht bei Leipzig gewonnen haben soll. So wenigstens erzählt sie beständig. Eine schreckliche Frau, die gar nicht in unsre Gesellschaft paßt. Und dabei so laut. Ich kann es nicht leiden, wenn wir so mit Gewalt nach oben blicken sollen, aber diese Helfrich, das muß ich sagen, ist denn doch auch nicht mein Geschmack. Ich halte das Untersichbleiben für das einzig Richtige. Bescheidene Verhältnisse, aber bestimmt gezogene Grenzen.«

Lorenzen hütete sich zu widersprechen, versuchte vielmehr umgekehrt, durch ein halbes Eingehn auf Adelheid und ihren Ton, eine bessere Laune wieder herzustellen. Als er aber sah, daß er damit scheiterte, brach er auf.

Und nun waren die beiden alten Geschwister allein.

Dubslav ging im Zimmer unruhig auf und ab und trat nur dann und wann an den Tisch heran, auf dem noch vom Kaffee her die Likörflaschen standen. Er wollte was sagen, traute sich’s aber nicht recht, und erst als er zu zwei Curaçaos auch noch einen Benediktiner hinzugefügt hatte, wandte er sich an die Schwester, die, schweigsam wie er selbst, ihre kleine goldene Kette hin und her zog.

»Ja«, sagte er, »jetzt sind sie nun wohl schon in Woltersdorf.«

»Ich vermute drüber raus. Woldemar wird die

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