Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 180)
Pferde natürlich ausholen lassen. Es sind, glaub’ ich, Damen, die nicht gerne langsam fahren.«
»Du sagst das so, Adelheid, als ob du’s tadeln wolltest, überhaupt als ob dir die Damen nicht sonderlich gefallen hätten. Das sollte mir leid tun. Ich bin sehr glücklich über die Partie. Gewiß, sowohl die Gräfin wie die Komtesse sind verwöhnt; das merkt man. Aber ich möchte sagen, je verwöhnter sie sind ...«
»Desto besser gefallen sie dir. Das sieht dir ähnlich. Ich liebe mehr unsre Leute. Beide sind doch beinah wie Fremde.«
»Nun, das ist nicht schlimm.«
»Doch. Mir widersteht das Fremde. Laß dir erzählen. Da war ich vorigen Sommer mit der Schmargendorf in Berlin und ging zu Josty, weil die Schmargendorf, die so was liebt, gern eine Tasse Schokolade trinken wollte.«
»Du hoffentlich auch.«
»Allerdings. Ich auch. Aber ich kam nicht recht dazu, nippte bloß, weil ich mich über die Maßen ärgern mußte. Denn an dem Tische neben mir saß ein Herr und eine Dame, wenn es überhaupt eine Dame war. Aber Engländer waren es. Er steckte ganz in Flanell und hatte die Beinkleider umgekrempelt, und die Dame trug einen Rock und eine Bluse und einen Matrosenhut. Und der Herr hatte ein Windspiel, das immer zitterte, trotzdem fünfundzwanzig Grad Wärme waren.«
»Ja, warum nicht?«
»Und zwischen ihnen stand eine Tablette mit Wasser und Kognak, und die Dame hielt außerdem noch eine Zigarette zwischen den Fingern und sah in die Ringelwölkchen hinein, die sie blies.«
»Charmant. Das muß ja reizend ausgesehn haben.«
»Und ich verwette mich, diese Melusine raucht auch.«
»Ja, warum soll sie nicht? Du schlachtest Gänse. Warum soll Melusine nicht rauchen?«
»Weil Rauchen männlich ist.«
»Und Schlachten weiblich ... Ach, Adelheid, wir können uns über so was nicht einigen. Ich gelte schon für leidlich altmodisch, aber du, du bist ja geradezu petrefakt.«
»Ich verstehe das Wort nicht und wünsche nur, daß es etwas ist, dessen du dich nicht zu schämen hast. Es klingt sonderbar genug. Aber ich weiß, du liebst dergleichen und liebst gewiß auch (und hast so deine Vorstellungen dabei) den Namen Melusine.«
»Kann ich beinah sagen.«
»Ich dacht’ es mir.«
»Ja, Schwester, du hast gut reden. So sicher wie du wohnt eben nicht jeder. Adelheid, das ist ein Name, der paßt immer. Und im Kirchenbuche, wie mir Lorenzen erst neulich gezeigt hat, steht sogar Adelheide. Das Schluß-›e‹ ist bei der schlechten Wirtschaft in unserm Hause so mit drauf gegangen. Die Stechline haben immer alles verurscht.«
»Ich bitte dich, wähle doch andere Worte.«
»Warum? Verurscht ist ein ganz gutes Wort. Und außerdem, schon der alte Kortschädel sagte mir mal, man müsse gegen Wörter nicht so streng sein und gegen Namen erst recht nicht, da sitze manch einer in einem Glashause. Hältst du Rentmeister Fix für einen schönen Namen? Und als ich noch bei den Kürassieren in Brandenburg war, in meinem letzten Dienstjahr, da hatten wir dicht bei uns einen kleinen Mann von der Feuerversicherung, der hieß Briefbeschwerer. Ja, Adelheid, wenn ich dem gegenüber so verfahren wäre wie du jetzt mit Gräfin Melusine, so hätt’ ich mir den Mann als eine halbe Bombe vorstellen müssen oder als einen Kugelmann. Denn damals, es