Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 198)

der gnäd’ge Herr?«

»Joa, Herr Doktor, ick möt doch seggen, he seiht en beten verännert ut; em wihr schon nich so recht letzten Sünndag, un doa müßt he joa nu grad nach Berlin. Un ick weet schon, wenn ihrst een nach Berlin muß, denn is ook ümmer wat los. Ick weet nich, wat se doa mit’n ollen Minschen moaken.«

»Ja, Martin, das ist die große Stadt. Da übernehmen sie sich denn. Und dann war ja auch Hochzeit. Da werden sie wohl ein bißchen gepichelt haben. Und vorher die kalte Kirche. Und dazu so viele feine Damen. Daran ist der gnäd’ge Herr nicht mehr gewöhnt, und dann will er sich berappeln und strengt sich an, und da hat man denn gleich was weg.«

Es dämmerte schon, als der kleine Jagdwagen auf der Rampe vorfuhr. Sponholz stieg aus, und Engelke nahm ihm den grauen Mantel mit Doppelkragen ab und auch die hohe Lammfellmütze, darin er – freilich das einzige an ihm, das diese Wirkung ausübte – wie ein Perser aussah.

So trat er denn bei Dubslav ein. Der alte Herr saß an seinem Kamin und sah in die Flamme.

»Nun, Herr von Stechlin, da bin ich. War über Land. Es geht jetzt scharf. Jeder dritte hustet und hat Kopfweh. Natürlich Influenza. Ganz verdeubelte Krankheit.«

»Na, die wenigstens hab’ ich nicht.«

»Kann man nicht wissen. Ein bißchen fliegt jedem leicht an. Nun, wo sitzt es?«

Dubslav wies auf sein rechtes Bein und sagte: »Stark geschwollen. Und das andre fängt auch an.«

»Hm. Na, wollen mal sehen. Darf ich bitten?«

Dubslav zog sein Beinkleid herauf, den Strumpf herunter und sagte: »Da is die Bescherung. Gicht ist es nicht. Ich habe keine Schmerzen ... Also was andres.«

Sponholz tippte mit dem Finger auf dem geschwollenen Fuß herum und sagte dann: »Nichts von Belang, Herr von Stechlin. Einhalten, Diät, wenig trinken, auch wenig Wasser. Das verdammte Wasser drückt gleich nach oben, und dann haben Sie Atemnot. Und von Medizin bloß ein paar Tropfen. Bitte bleiben Sie sitzen; ich weiß ja Bescheid hier.« Und dabei ging er an Dubslavs Schreibtisch heran, schnitt sich ein Stück Papier ab und schrieb ein Rezept. »Ihr Kutscher, das wird das beste sein, kann bei der Apotheke gleich mit vorfahren.«

Im Vorflur, nach Verabschiedung von Dubslav, fuhr Sponholz alsbald wieder in seinen Mantel. Engelke half ihm und sagte dabei: »Na, Herr Doktor?«

»Nichts, nichts, Engelke!«

Martin mit seinem Jagdwagen hielt noch wartend auf der Rampe draußen, und so ging es denn in rascher Fahrt wieder nach der Stadt zurück, von wo der alte Kutscher die Tropfen gleich mitbringen sollte.

Der Winterabend dämmerte schon, als Martin zurück war und die Medizin an Engelke abgab. Der brachte sie seinem Herrn.

»Sieh mal«, sagte dieser, als er das rundliche Fläschchen in Händen hielt, »die Granseer werden jetzt auch fein. Alles in rosa Seidenpapier gewickelt.« Auf einem angebundenen Zettel aber stand: »Herrn Major von Stechlin. Dreimal täglich zehn Tropfen.« Dubslav hielt die kleine Flasche gegen das Licht und tröpfelte die vorgeschriebene Zahl in einen Löffel voll Wasser. Als er sie genommen hatte, bewegte er die Lippen hin und her, etwa wie wenn

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