Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 197)
in Gesandtschaftsattachéhaltung, und im nächsten Augenblicke den Garnisonkirchenküster, den er anfänglich für einen zur Feier eingeladenen Konsistorialrat gehalten hatte. Daneben aber stand die blasse, schöne Braut und die reizende, bieg- und schmiegsame Melusine. »Ja, der alte Barby, wenn er auf die sieht, der hat’s gut, der kann es aushalten. Immer einen guten und klugen Menschen um sich haben, immer was hören und sehen, was einen anlacht und erquickt, das ist was. Aber ich! Ich für meinen Teil, gleichviel ob mit oder ohne Schuld, ich war immer nur auf ein Pflichtteil gesetzt – als Kind, weil ich faul war, und als Leutnant, weil ich nicht recht was hatte. Dann kam ein Lichtblick. Aber gleich danach starb sie, die mir Stab und Stütze hätte sein können, und durch all die dreißig Jahre, die seitdem kamen und gingen, blieb mir nichts als Engelke (der noch das Beste war) und meine Schwester Adelheid. Gott verzeih mir’s, aber ein Trost war die nicht; immer bloß herbe wie’n Holzapfel.«
Unter solchen Betrachtungen fuhr er in das Dorf ein und hielt gleich danach vor der Tür seines alten Hauses. Engelke war schon da, half ihm und tat sein Bestes, ihn aus der schweren Wolfsschur herauszuwickeln. Der immer noch Fröstelnde stapfte dabei mit den Füßen, warf seinen Staatshut – den er unterwegs, weil er ihn drückte, wohl hundertmal verwünscht hatte – mit ersichtlicher Befriedigung beiseite und sagte gleich danach beim Eintreten in sein Zimmer: »Ach, das is recht, Engelke. Du hast ein Feuer gemacht; du weißt, was einem alten Menschen gut tut. Aber es reicht noch nicht aus. Ob wohl unten noch heißes Wasser ist? So’n fester Grog, der sollte mir jetzt passen; ich friere Stein und Bein.«
»Heiß’ Wasser is nicht mehr, gnädiger Herr. Aber ich kann ja ’ne Kasseroll aufstellen. Oder noch besser, ich hole den Petroleumkocher.«
»Nein, nein, Engelke, nicht soviel Umstände. Das mag ich nicht. Und den Petroleumkocher, den erst recht nich; da kriegt man bloß Kopfweh, und ich habe schon genug davon. Aber bringe mir den Kognak und kaltes Wasser. Und wenn man dann so halb und halb nimmt, dann is es so gut, als wär’ es ganz heiß gewesen.«
Engelke brachte, was gefordert, und eine Viertelstunde danach ging Dubslav zu Bett.
Er schlief auch gleich ein. Aber bald war er wieder wach und druste nur noch so hin. So kam endlich der Morgen heran.
Als Engelke zu gewohnter Stunde das Frühstück brachte, schleppte sich Dubslav mühsamlich von seinem Schlafzimmer bis an den Frühstückstisch. Aber es schmeckte ihm nicht. »Engelke, mir ist schlecht; der Fuß ist geschwollen, und das mit dem Kognak gestern abend war auch nicht richtig. Sage Martin, daß er nach Gransee fährt und Doktor Sponholz mitbringt. Und wenn Sponholz nicht da ist – der arme Kerl kutschiert in einem fort rum; ohne Landpraxis geht es nicht –, dann soll er warten, bis er kommt.«
Es traf sich so, wie Dubslav vermutet hatte; Sponholz war wirklich auf Landpraxis und kam erst nachmittags zurück. Er aß einen Bissen und stieg dann auf den Stechliner Wagen.
»Na, Martin, was macht denn