Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 212)

In dieser Notlage sann er hin und her, und eines Tages, als er mal wieder in rechter Bedrängnis und Atemnot war, rief er Engelke und sagte: »Engelke, mir is schlecht. Aber rede mir nich von dem Doktor. Ich mag unrecht haben, aber ich will ihn nicht. Sage, wie steht das eigentlich mit der Buschen? Die soll ja doch letzten Herbst uns’ Kossät Rohrbeckens Frau wieder auf die Beine gebracht haben.«

»Ja, die Buschen ...«

»Na, was meinst du?«

»Ja, die Buschen, die weiß Bescheid. Versteht sich. Man bloß, daß sie ’ne richtige alte Hexe is, und um Walpurgis weiß keiner, wo sie is. Und die Mächens gehen sonnabends auch immer hin, wenn’s schummert, und Uncke hat auch schon welche notiert und beim Land­rat Anzeige gemacht. Aber sie streiten alle Stein und Bein; und ein paar haben auch schon geschworen, sie wüßten von gar nichts.«

»Kann ich mir denken, und vielleicht war’s auch nich so schlimm. Und dann, Engelke, wenn du meinst, daß sie so gut Bescheid weiß, da wär’s am Ende das beste, du gingst mal hin oder schicktest wen. Denn deine alten Beine wollen auch nich mehr so recht, und außerdem is Schlackerwetter. Und wenn du mir auch noch krank wirst, so hab’ ich ja keine Katze mehr, die sich um mich kümmert. Woldemar is weit weg. Und wenn er auch in Berlin wäre, da hat er ja doch seinen Dienst und seine Schwadron und kann nich den ganzen Tag bei seinem alten Vater sitzen. Und außerdem, Krankenpflegen ist überhaupt was Schweres; darum haben die Katholiken auch ’nen eignen Segen dafür. Ja, die verstehn es. So was verstehn sie besser als wir.«

»Nei, gnäd’ger Herr, besser wohl doch nich.«

»Na, lassen wir’s. So was is immer schwer festzustellen, und weil heutzutage so vieles schwer festzustellen ist, haben sich ja die Menschen auch das angeschafft, was sie ’ne ›Enquête‹ nennen. Keiner kann sich freilich so recht was dabei denken. Ich gewiß nicht. Weißt du, was es ist?«

»Nei, gnäd’ger Herr.«

»Siehst du! Du bist eben ein vernünftiger Mensch, das merkt man gleich, und hast auch ein Einsehn davon, daß es eigentlich am besten wäre, wenn ich zu der Buschen schicke. Was die Leute von ihr reden, geht mich nichts an. Und dann bin ich auch kein Mächen. Und Uncke wird mich ja wohl nicht aufschreiben.«

Engelke lächelte: »Na, gnäd’ger Herr, dann werd’ ich man unten mit unse’ Mamsell Pritzbur sprechen; die kann die lütte Marie rausschicken. Marieken is letzten Michaelis erst eingesegnet, aber sie war auch schon da.«

Noch an demselben Nachmittag erschien die Buschen im Herrenhause. Sie hatte sich für den Besuch etwas zurechtgemacht und trug ihre besten Kleider, auch ein neues schwarzes Kopftuch. Aber man konnte nicht sagen, daß sie dadurch gewonnen hätte. Fast im Gegenteil. Wenn sie so mit ’nem Sack über die Schulter oder mit ’ner Kiepe voll Reisig aus dem Walde kam, sah man nichts als ein altes, armes Weib; jetzt aber, wo sie bei dem alten Herrn eintrat und nicht recht wußte, warum man sie gerufen, sah man ihr die Verschlagenheit an und daß

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