Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 210)

verließ sie das Zimmer. Engelke, der draußen im Flur stand, eilte vorauf, ihr beim Einsteigen in den kleinen Katzlerschen Jagdwagen behilflich zu sein.

Als Dubslav wieder allein war, nahm er das Schür­eisen, das grad vor ihm auf dem Kaminstein lag, und fuhr in die halb niedergebrannten Scheite. Die Flamme schlug auf, und etliche Funken stoben. »Arme Durchlaucht. Es ist doch nicht gut, wenn Prinzessinnen in Oberförsterhäuser einziehn. Sie sind dann aus ihrem Fahrwasser heraus und greifen nach allem möglichen, um in der selbstgeschaffenen Alltäglichkeit nicht unterzugehn. Einen bessern Trostspender als Koseleger konnte sie freilich nicht finden; er gab ihr den Trost, dessen sie selber bedürftig ist. Im übrigen mag sie sich aufrichten lassen, von wem sie will. Der Alte auf Sanssouci, mit seinem ›nach der eignen Façon selig werden‹, hat’s auch darin getroffen. Gewiß. Aber wenn ich euch eure Façon lasse, so laßt mir auch die meine. Wollt nicht alles besser wissen, kommt mir nicht mit Anzettelungen, erst gegen meinen guten Krippenstapel, der kein Wässerchen trübt, und nun gar gegen meinen klugen Lorenzen, der euch alle in die Tasche steckt. An ihn persönlich wagen sie sich nicht ran, und da kommen sie nun zu mir und wollen mich umstimmen und denken, weil ich krank bin, muß ich auch schwach sein. Aber da kennen sie den alten Stechlin schlecht, und er wird nun wohl seinen märkischen Dickkopf aufsetzen. Auch sogar gegen Ippe-Büchsenstein und die Elfenbeinkugeln, die ja schon der reine Rosenkranz sind. Und es wird auch noch so was. Eigentlich bin ich übrigens selber schuld. Ich habe mir durch den prinzeßlichen Augenaufschlag und die vier Kindergräber im Garten zu sehr imponieren lassen. Aber es fällt doch allmählich wieder ab, und ein Glück, daß ich meinen Engelke habe.«

Vor Erregung war er aus seinem Rollstuhl aufgestanden und drückte auf den Klingelknopf. »Engelke, geh zu Lorenzen und sag ihm, ich ließ’ ihn bitten. Der soll dann aber heut auch der letzte sein ... Denke dir, Engelke, sie wollen mich bekehren!«

»Aber, gnäd’ger Herr, das is ja doch das Beste.«

»Gott, nu fängt der auch noch an.«

38. Kapitel

Lorenzen kam nicht; er war nach Rheinsberg, wo die Geistlichen aus dem östlichen Teil der Grafschaft eine Konferenz hatten. Aber statt Lorenzen kam Doktor Moscheles und sprach von allem möglichen, erst ganz kurz von Dubslavs Zustand, den er nicht gut und nicht schlecht fand, dann von Koseleger, von Katzler, auch von Sponholz (von dem ein Brief eingetroffen war), am ausführlichsten aber von Rechtsanwalt Katzenstein und von Torgelow. »Ja, dieser Torgelow«, sagte Moscheles. »Es war ein Mißgriff, ihn zu wählen. Und wenn es noch nötig gewesen wäre, wenn die Partei keinen Besseren gehabt hätte! Aber da haben sie denn doch noch ganz andere Leute.« Dubslav war davon wenig angenehm berührt, weil er aus der persönlichen Niedrigstellung Torgelows die Hochstellung der Torgelowschen Partei heraushörte.

Der Besuch hatte wohl eine halbe Stunde gedauert. Als Moscheles wieder fort war, sagte Dubslav: »Engelke, wenn er wiederkommt, so sag ihm, ich sei nicht da. Das wird er natürlich nicht glauben; weiß er doch am besten, daß ich an

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