Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 226)

der Welt, daß wir nicht auch Bescheid wüßten.«

»Wozu hättet ihr sonst euern Fix?«

»Kein Wort gegen den.«

Und in großer Erregung brach das Gespräch ab. Noch am selben Nachmittag aber verabschiedete sich Adelheid von ihrem Bruder und fuhr nach Wutz zurück.

Verweile doch. Tod. Begräbnis

Neue Tage

40. Kapitel

Agnes, während oben die gereizte Szene zwischen Bruder und Schwester spielte, war unten in der Küche bei Mamsell Pritzbur und erzählte von Berlin, wo sie vorigen Sommer bei ihrer Mutter auf Besuch gewesen war. »Eins war da«, sagte sie, »das hieß das Aquarium. Da lag eine Schlange, die war so dick wie’n Bein.«

»Aber hast du denn schon Beine gesehn?« fragte die Pritzbur.

»Aber, Mamsell Pritzbur, ich werde doch wohl schon Beine gesehn haben ... Und dann, an einem andern Tag, da waren wir in einem ›Tiergarten‹, aber in einem richtigen, mit allerlei Tieren drin. Und den nennen sie den ›Zoologischen‹.«

»Ja, davon hab’ ich auch schon gehört.«

»Und in dem ›Zoologischen‹, da war ein ganz kleiner See, noch viel kleiner als unser Stechlin, und in dem See standen allerlei Vögel. Und einer, ganz wie’n Storch, stand auf einem Bein.«

Als die Mädchen das Wort »Storch« hörten, kamen sie näher heran.

»Aber die Beine von dem Vogel, oder es waren wohl mehrere Vögel, die waren viel größer als Storchenbeine und auch viel dicker und viel röter.«

»Und taten sie dir nichts?«

»Nein, sie taten mir nichts. Bloß, wenn sie so ’ne Weile gestanden hatten, dann stellten sie sich auf das andre Bein. Und ich sagte zu Mutter: ›Mutter, komm; der eine sieht mich immer so an.‹ Und da gingen wir an eine andere Stelle, wo der Bär war.«

Das Kind erzählte noch allerlei. Die Mädchen und auch die Mamsell freuten sich über Agnes, und sie trug ihnen ein paar Lieder vor, die ihre Mutter, die Karline, immer sang, wenn sie plättete, und sie tanzte auch, während sie sang, wobei sie das himmelblaue Kleid zierlich in die Höhe nahm, ganz so, wie sie’s in der Hasenheide gesehn hatte.

So kam der Nachmittag heran, und als es schon dunkelte, sagte Engelke: »Ja, gnäd’ger Herr, wie is das nu mit Agnessen? Sie is immer noch bei Mamsell Pritzbur unten, un die Mädchens, wenn sie so singt und tanzt, kucken ihr zu. Sie wird woll auch so was wie die Karline. Soll sie wieder nach Haus, oder soll sie hier bleiben?«

»Natürlich soll sie hier bleiben. Ich freue mich, wenn ich das Kind sehe. Du hast ja ein gutes Gesicht, Engelke, aber ich will doch auch mal was andres sehn als dich. Wie das lütte Balg da so saß, so steif wie ’ne Prinzeß, hab’ ich immer hingekuckt und ihr wohl ’ne Viertelstunde zugesehn, wie da die Stricknadeln immer so hin und her gingen und der rote Strumpf neben ihr baumelte. So was Hübsches hab’ ich nicht mehr gesehn, seit zu Weihnachten die Grafschen hier waren, die blasse Komtesse und die Gräfin. Hat sie dir auch gefallen?«

Engelke griente.

»Na, ich sehe schon. Also Agnes bleibt. Und sie kann ja auch nachts mal aufstehn und mir eine Tasse von dem Tee bringen, oder was

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