Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 26)
ich freue mich immer, wenn ich davon lese, vor allem, wenn ein russischer Kaiser kommt und ein Doppelposten vom Regiment Alexander vor seinem Palais steht. Und noch mehr freu’ ich mich, wenn das Regiment Deputationen schickt: Georgsfest, Namenstag des hohen Chefs, oder wenn sich’s auch bloß um Uniformabänderungen handelt, beispielsweise Klappkragen statt Stehkragen (diese verdammten Stehkragen) – und wie dann der Kaiser alle begrüßt und zur Tafel zieht und so bei sich denkt: ›Ja, ja, das sind brave Leute; da hab’ ich meinen Halt.‹«
Czako nickte, war aber doch in sichtlicher Verlegenheit, weil er, trotz seiner vorher versicherten »Sympathien«, ein ganz moderner, politisch stark angekränkelter Mensch war, der, bei strammster Dienstlichkeit, zu all dergleichen Überspanntheiten ziemlich kritisch stand. Der alte Dubslav nahm indessen von alledem nichts wahr und fuhr fort: »Und sehen Sie, lieber Hauptmann, so hab’ ich’s persönlich in meinen jungen Jahren auch noch erlebt und vielleicht noch ein bißchen besser; denn, Pardon, jeder hält seine Zeit für die beste. Vielleicht sogar, daß Sie mir zustimmen, wenn ich Ihnen mein Sprüchel erst ganz hergesagt haben werde. Da haben wir ja nun ›jenseits des Njemen‹, wie manche Gebildete jetzt sagen, die ›drei Alexander‹ gehabt, den ersten, den zweiten und den dritten, alle drei große Herren und alle drei richtige Kaiser und fromme Leute, oder doch beinah fromm, die’s gut mit ihrem Volk und mit der Menschheit meinten, und dabei selber richtige Menschen; aber in dies Alexandertum, das so beinah das ganze Jahrhundert ausfüllt, da schiebt sich doch noch einer ein, ein Nicht-Alexander, und ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, der war doch der Häupter. Und das war unser Nikolaus. Manche dummen Kerle haben Spottlieder auf ihn gemacht und vom schwarzen Niklas gesungen, wie man Kinder mit dem schwarzen Mann graulich macht, aber war das ein Mann! Und dieser selbige Nikolaus, nun, der hatte hier, ganz wie die drei Alexander, auch ein Regiment, und das waren die Nikolaus-Kürassiere, oder sag’ ich lieber: das sind die Nikolaus-Kürassiere, denn wir haben sie, Gott sei Dank, noch. Und sehen Sie, lieber Czako, das war mein Regiment, dabei hab’ ich gestanden, als ich noch ein junger Dachs war, und habe dann den Abschied genommen; viel zu früh; Dummheit, hätte lieber dabei bleiben sollen.«
Czako nickte, Dubslav nahm ein neues Glas von dem Goldwasser. »Unsere Nikolaus-Kürassiere, Gott erhalte sie, wie sie sind! Ich möchte sagen, in dem Regimente lebt noch die Heilige Alliance fort, die Waffenbrüderschaft von anno dreizehn, und dies anno dreizehn, das wir mit den Russen zusammen durchgemacht haben, immer nebeneinander im Biwak, in Glück und Unglück, das war doch unsre größte Zeit. Größer als die jetzt große. Große Zeit ist es immer nur, wenn’s beinah schief geht, wenn man jeden Augenblick fürchten muß: ›Jetzt ist alles vorbei.‹ Da zeigt sich’s. Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser. Ausdauer, das ist die Hauptsache. Nichts im Leibe, nichts auf dem Leibe, Hundekälte, Regen und Schnee, so daß man so in der nassen Patsche liegt, und höchstens ’nen Kornus (Kognak, ja hast du was, den gab es