Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 28)

auch aus, was neuerdings nicht jeder tut; aber der ›neue Luther‹, der doch schon gerade bedenklich genug ist – Majestät hat ganz recht mit seiner Verurteilung –, der geht ihm gewiß nicht weit genug. Dieser Lorenzen erscheint mir, im Gegensatz zu seinen Jahren, als einer der allerjüngsten. Und zu verwundern bleibt nur, daß der Alte so gut mit ihm steht. Freund Woldemar hat mir davon erzählt. Der Alte liebt ihn und sieht nicht, daß ihm sein geliebter Pastor den Ast absägt, auf dem er sitzt. Ja, diese von der neuesten Schule, das sind die allerschlimmsten. Immer Volk und wieder Volk, und mal auch etwas Christus dazwischen. Aber ich lasse mich so leicht nicht hinters Licht führen. Es läuft alles darauf hinaus, daß sie mit uns aufräumen wollen, und mit dem alten Christentum auch. Sie haben ein neues, und das überlieferte behandeln sie despektierlich.«

»Kann ich ihnen unter Umständen nicht verdenken. Seien Sie gut, Rex, und lassen Sie Konventikel und Partei mal beiseite. Das Überlieferte, was einem da so vor die Klinge kommt, namentlich wenn Sie sich die Menschen ansehen, wie sie nun mal sind, ist doch sehr reparaturbedürftig, und auf solche Reparatur ist ein Mann wie dieser Lorenzen eben aus. Machen Sie die Probe. Hie Lorenzen, hie Gundermann. Und Ihren guten Glauben in Ehren, aber Sie werden diesen Gundermann doch nicht über den Lorenzen stellen und ihn überhaupt nur ernsthaft nehmen wollen. Und wie dieser Wassermüller aus der Brettschneidebranche, so sind die meisten. Phrase, Phrase. Mitunter auch Geschäft oder noch Schlimmeres.«

»Ich kann jetzt nicht antworten, Czako. Was Sie da sagen, berührt eine große Frage, bei der man doch aufpassen muß. Und so mit dem Messer in der Hand, da verbietet sich’s. Und das eine wacklige Licht hat ohnehin schon einen Dieb. Erzählen Sie mir lieber was von der Frau von Gundermann. Debattieren kann ich nicht mehr, aber wenn Sie plaudern, brauch’ ich bloß zuzuhören. Sie haben ihr ja bei Tisch ’nen langen Vortrag gehalten.«

»Ja. Und noch dazu über Ratten.«

»Nein, Czako, davon dürfen Sie jetzt nicht sprechen; dann doch lieber über alten und neuen Glauben. Und gerade hier. In solchem alten Kasten ist man nie sicher vor Spuk und Ratten. Wenn Sie nichts andres wissen, dann bitt’ ich um die Geschichte, bei der wir heute früh in Cremmen unterbrochen wurden. Es schien mir was Pikantes.«

»Ach, die Geschichte von der kleinen Stubbe. Ja, hören Sie, Rex, das regt Sie aber auch auf. Und wenn man nicht schlafen kann, ist es am Ende gleich, ob wegen der Ratten oder wegen der Stubbe.«

Fünftes Kapitel

 

Rex und Czako waren so müde, daß sie sich, wenn nötig, über Spuk und Ratten weggeschlafen hätten. Aber es war nicht nötig; nichts war da, was sie hätte stören können. Kurz vor acht erschien das alte Faktotum mit einem silbernen Deckelkrug, aus dem der Wrasen heißen Wassers aufstieg, einem der wenigen Renommierstücke, über die Schloß Stechlin verfügte. Dazu bot Engelke den Herren einen guten Morgen und stattete seinen Wetterbericht ab: Es gebe gewiß einen schönen Tag, und der junge Herr sei auch

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