Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 34)

ich dir ein, daß ich kein rechtes Urteil über derlei Dinge habe. Bei den Kürassieren war keiner, und ich habe überhaupt nur einmal einen gesehen, mit einem kleinen Verdruß und einer Goldbrille, die er beständig abnahm und putzte. Natürlich bloß ein Männchen, klein und eitel. Aber sehr elegant.«

»Elegant?« fragte Czako. »Dann stimmt es nicht; dann haben Sie so gut wie keinen gesehen.«

Unter diesem Gespräche waren sie bis an den Turm gekommen, der in mehreren Etagen und zuletzt auf bloßen Leitern anstieg. Man mußte schwindelfrei sein, um gut hinaufzukommen. Oben aber war es wieder gefahrlos, weil eine feste Wandung das Podium umgab. Rex und Czako hielten Umschau. Nach Süden hin lag das Land frei, nach den drei andern Seiten hin aber war alles mit Waldmassen besetzt, zwischen denen gelegentlich die sich hier auf weite Meilen hinziehende Seenkette sichtbar wurde. Der nächste See war der Stechlin.

»Wo ist nun die Stelle?« fragte Czako. »Natürlich die, wo’s sprudelt und strudelt.«

»Sehen Sie die kleine Buchtung da, mit der weißen Steinbank?«

»Jawohl; ganz deutlich.«

»Nun, von der Steinbank aus keine zwei Bootslängen in den See hinein, da haben Sie die Stelle, die, wenn’s sein muß, mit Java telephoniert.«

»Ich gäbe was drum«, sagte Czako, »wenn jetzt der Hahn zu krähen anfinge.«

»Diese kleine Aufmerksamkeit muß ich Ihnen leider schuldig bleiben und hab’ überhaupt da nach rechts hin nichts anderes mehr für Sie als die roten Ziegeldächer, die sich zwischen dem Waldrand und dem See wie auf einem Bollwerk hinziehen. Das ist die Kolonie Globsow. Da wohnen die Glasbläser. Und dahinter liegt die Glashütte. Sie ist noch unter dem Alten Fritzen entstanden und heißt die ›grüne Glashütte‹.«

»Die grüne? Das klingt ja beinahe wie aus ’nem Märchen.«

»Ist aber eher das Gegenteil davon. Sie heißt nämlich so, weil man da grünes Glas macht, allergewöhnlichstes Flaschenglas. An Rubinglas mit Goldrand dürfen Sie hier nicht denken. Das ist nichts für unsere Gegend.«

Und damit kletterten sie wieder hinunter und traten, nach Passierung des Schloßvorhofs, auf den quadratischen Dorfplatz hinaus, an dessen einer Ecke die Schule gelegen war. Es mußte die Schule sein, das sah man an den offenstehenden Fenstern und den Malven davor, und als die Herren bis an den grünen Staketenzaun heran waren, hörten sie auch schon den prompten Schulgang da drinnen, erst die scharfe, kurze Frage des Lehrers und dann die sofortige Massenantwort. Im nächsten Augenblick, unter Vorantritt Dubslavs, betraten alle den Flur, und weil ein kleiner weißer Kläffer sofort furchtbar zu bellen anfing, erschien Krippenstapel, um zu sehen, was los sei.

»Guten Morgen, Krippenstapel«, sagte Dubslav. »Ich bring’ Ihnen Besuch.«

»Sehr schmeichelhaft, Herr Baron.«

»Ja, das sagen Sie; wenn’s nur wahr ist. Aber unter allen Umständen lassen Sie den Baron aus dem Spiel ... Sehen Sie, meine Herren, mein Freund Krippenstapel is ein ganz eignes Haus. Alltags nennt er mich ›Herr von Stechlin‹ (den Major unterschlägt er), und wenn er ärgerlich ist, nennt er mich ›gnäd’ger Herr‹. Aber sowie ich mit Fremden komme, betitelt er mich ›Herr Baron‹. Er will was für mich tun.«

Krippenstapel, still vor sich hin schmunzelnd, hatte mittlerweile die Tür zu der seiner

Seiten