Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 90)

bei seiner Augenbeschaffenheit etwas Komisches hatte, schelmisch lächelnd auf den bogenspannenden Amor und sagte: »Hier hinten ein Tempel und hier vorn ein Lorbeerbusch. Und hier this little fellow with his arrow. Ich möchte mir die Frage gestatten – Sie sind eine so kluge Frau, Frau Imme –: wird er den Pfeil fliegen lassen oder nicht, und wenn er den Pfeil fliegen läßt, ist es die Priesterin, die hier neben dem Lorbeer steht, oder ist es eine andre?«

»Ja, Mr. Robinson«, sagte Frau Imme, »darauf ist schwer zu antworten. Denn erstens wissen wir nicht, was er überhaupt vorhat, und dann wissen wir auch nicht: wer ist die Priesterin? Ist die Komtesse die Priesterin, oder ist die Gräfin die Priesterin? Ich glaube, wer schon verheiratet war, kann wohl eigentlich nicht Priesterin sein.«

»Ach«, sagte Imme, in dem sich der naturwüchsige Mecklenburger regte, »sein kann alles. Über so was wächst Gras. Ich glaube, es is die Gräfin.«

Robinson nickte. »Glaub’ ich auch. And what’s the reason, dear Mrs. Imme? Weil Witib vor Jungfrau geht. Ich weiß wohl, es ist immer viel die Rede von virginity, aber widow ist mehr als virgin.«

Frau Imme, die nur halb verstanden hatte, verstand doch genug, um zu kichern, was sie übrigens sittsam mit der Bemerkung begleitete, sie habe so was von Mr. Robinson nicht geglaubt.

Robinson nahm es als Huldigung und trat, nachdem er sich mit Erlaubnis der »Lady« ein kurzes Pfeifchen mit türkischem Tabak angesteckt hatte, an ein Fensterchen, in dessen mit einer kleinen Laubsäge gemachten Blumenkasten rote Verbenen blühten, und sagte, während er auf den Hof mit seinen drei Akazienbäumen herunterblickte: »Wer ist denn der hübsche Junge da, der da mit seinem hoop spielt? Hier sagen sie Reifen.«

»Das ist ja Hartwigs Rudolf«, sagte Frau Imme. »Ja, der Junge hat viel Chic. Und wie er da mit dem Reifen spielt und die Hedwig immer hinter ihm her, wiewohl sie doch beinahe seine Mutter sein könnte. Na, ich freue mich immer, wenn ich ausgelassene Menschen sehe, und wenn Hartwig kommt – ich wundere mich bloß, daß er noch nicht da ist –, da können Sie ihm ja sagen, wie hübsch Sie die verwöhnte kleine Range finden. Das wird ihn freuen; er ist furchtbar eitel. Alle Portiersleute sind eitel. Aber das muß wahr sein, es ist ein reizender Junge.«

Während sie noch so sprachen, erschien Hartwig, auf den Imme, skatdurstig, schon seit einer Viertelstunde gewartet hatte, und keine drei Minuten mehr, so war auch Hedwig da, die sich bis kurz vorher mit ihrem kleinen Cousin Rudolf in dem Hof unten abgeäschert hatte. Beide wurden mit gleicher Herzlichkeit empfangen, Hartwig, weil nach seinem Erscheinen die Skatpartie beginnen konnte, Hedwig, weil Frau Imme nun gute Gesellschaft hatte. Denn Hedwig konnte wundervoll erzählen und brachte jedesmal Neuigkeiten mit. Sie mochte vierundzwanzig sein, war immer sehr sauber gekleidet und von heiter-übermütigem Gesichtsausdruck. Dazu krauses, kastanienbraunes Haar. Es traf sich, daß sie mal wieder außer Dienst war.

»Nun, das ist recht, Hedwig, daß du kommst«, sagte Frau Imme. »Rudolfen hab’ ich eben erst gefragt, wo du geblieben wärst, denn ich

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