Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 91)

habe dich ja mit ihm spielen sehen; aber solch Junge weiß nie was; der denkt bloß immer an sich und ob er sein Stück Kuchen kriegt. Na, wenn er kommt, er soll’s haben; Robinson ißt immer so wenig, wiewohl er den Streusel ungeheuer gern mag. Aber so sind die Engländer, sie sind nicht so zugreifsch, und dann geniert sich mein Imme auch, und die Hälfte bleibt übrig. Na, jedenfalls is es nett, daß du wieder da bist. Ich habe dich ja seit deinem letzten Dienst noch gar nicht ordentlich gesehen. Es war ja wohl ’ne Hofrätin? Na, Hofrätinnen, die kenn’ ich. Aber es gibt auch gute. Wie war er denn?«

»Na, mit ihm ging es.«

»Deine krausen Haare werden wohl wieder schuld sein. Die können manche nicht ertragen. Und wenn dann die Frau was merkt, dann is es vorbei.«

»Nein, so war es nicht. Er war ein sehr anständiger Mann. Beinahe zu sehr.«

»Aber, Kind, wie kannst du nur so was sagen? Wie kann einer zu anständig sein?«

»Ja, Frau Imme. Wenn einen einer gar nicht ansieht, das is einem auch nicht recht.«

»Ach, Hedwig, was du da bloß so red’st! Und wenn ich nich wüßte, daß du gar nich so bist ... Aber was war es denn?«

»Ja, Frau Imme, was soll ich sagen, was es war; es is ja immer wieder dasselbe. Die Herrschaften können einen nich richtig unterbringen. Oder wollen auch nich. Immer wieder die Schlafstelle oder, wie manche hier sagen, die Schlafgelegenheit.«

»Aber, Kind, wie denn? Du mußt doch ’ne Gelegenheit zum Schlafen haben.«

»Gewiß, Frau Imme. Und ’ne Gelegenheit, so denkt mancher, is ’ne Gelegenheit. Aber gerade die, die hat man nich. Man ist müde zum Umfallen und kann doch nicht schlafen.«

»Versteh’ ich nich.«

»Ja, Frau Imme, das macht, weil Sie von Kindesbeinen an immer bei so gute Herrschaften waren, und mit Lizzi is es jetzt wieder ebenso. Die hat es auch gut un is, wie wenn sie mit dazu gehörte. Meine Tante Hartwig erzählt mir immer davon. Und einmal hab’ ich es auch so gut getroffen. Aber bloß das eine Mal. Sonst fehlt eben immer die Schlafgelegenheit.«

Frau Imme lachte.

»Sie lachen darüber, Frau Imme. Das is aber nich recht, daß Sie lachen. Glauben Sie mir, es is eigentlich zum Weinen. Und mitunter hab’ ich auch schon geweint. Als ich nach Berlin kam, da gab es ja noch die Hängeböden.«

»Kenn’ ich, kenn’ ich; das heißt, ich habe davon gehört.«

»Ja, wenn man davon gehört hat, das is nich viel. Man muß sie richtig kennenlernen. Immer sind sie in der Küche, mitunter dicht am Herd oder auch gerade gegenüber. Und nun steigt man auf eine Leiter, und wenn man müde is, kann man auch runterfallen. Aber meistens geht es. Und nun macht man die Tür auf und schiebt sich in das Loch hinein, ganz so wie in einen Backofen. Das is, was sie ’ne Schlafgelegenheit nennen. Und ich kann Ihnen bloß sagen: auf einem Heuboden is es besser, auch wenn Mäuse da sind. Und am schlimmsten is es im Sommer. Draußen sind dreißig Grad, und auf dem Herd

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