Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 92)
war den ganzen Tag Feuer; da is es denn, als ob man auf den Rost gelegt würde. So war es, als ich nach Berlin kam. Aber ich glaube, sie dürfen jetzt so was nich mehr bauen. Polizeiverbot. Ach, Frau Imme, die Polizei is doch ein rechter Segen. Wenn wir die Polizei nich hätten (und sie sind auch immer so artig gegen einen), so hätten wir gar nichts. Mein Onkel Hartwig, wenn ich ihm so erzähle, daß man nicht schlafen kann, der sagt auch immer: ›Kenn’ ich, kenn’ ich; der Bourgeois tut nichts für die Menschheit. Und wer nichts für die Menschheit tut, der muß abgeschafft werden.‹«
»Ja, dein Onkel spricht so. Und war es denn bei deinem Hofrat, wo du nu zuletzt warst, auch so?«
»Nein, bei Hofrats war es nicht so. Die wohnten ja auch in einem ganz neuen Hause. Hofrats waren Trockenwohner. Und in dem, was jetzt die neuen Häuser sind, da kommen, glaub’ ich, die Hängeböden gar nicht mehr vor; da haben sie bloß noch die Badestuben.«
»Nu, das is aber doch ein Fortschritt.«
»Ja das kann man sagen; Badestube als Badestube ist ein Fortschritt oder, wie Onkel Hartwig immer sagt, ein Kulturfortschritt. Er hat meistens solche Wörter. Aber Badestube als Schlafgelegenheit is kein Fortschritt.«
»Gott, Kind, sie werden dich aber doch nich in eine Badewanne gepackt haben!«
»I bewahre. Das tun sie schon der Badewanne wegen nich. Da werden sie sich hüten. Aber ... Ach, Frau Imme, ich kann nur immer wieder sagen, Sie wissen nich Bescheid; Sie hatten es gut, wie Sie noch unverheiratet waren, und nu haben Sie’s erst recht gut. Sie wohnen hier wie in einer kleinen Sommerwohnung, un daß es ein bißchen nach Pferde riecht, das schadet nich; das Pferd is ein feines und reinliches Tier, und all seine Verrichtungen sind so edel. Man sagt ja auch: das edle Pferd. Und außerdem soll es so gesund sein, fast so gut wie Kuhstall, womit sie ja die Schwindsucht kurieren. Und dazu haben Sie hier den Blick auf die Kugelakazien und drüben auf das Marinepanorama, wo man sehen kann, wie alles is, und dahinter haben Sie den Blick auf die Kunstausstellung, wo es so furchtbar zieht, bloß damit man immer frische Luft hat. Aber bei Hofrats ... Nein, diese Badestube!«
»Gott, Hedwig«, sagte Frau Imme, »du tust ja, wie wenn es eine Mördergrube oder ein Verbrecherkeller gewesen wäre.«
»Verbrecherkeller? Ach, Frau Imme, das is ja gar nichts. Ich habe Verbrecherkeller gesehen, natürlich bloß zufällig. Da trinken sie Weißbier und spielen Sechsundsechzig. Und in einer Ecke wird was ausbaldowert, aber davon merkt man nichts.«
»Und die Badestube ... warum is sie dir denn so furchtbar, daß du dich ordentlich schudderst? Der Mensch muß doch am Ende baden können.«
»Ach was, baden! Natürlich. Aber ’ne Badestube is nie ’ne Badestube. Wenigstens hier nicht. Eine Badestube is ’ne Rumpelkammer, wo man alles unterbringt, alles, wofür man sonst keinen Platz hat. Und dazu gehört auch ein Dienstmädchen. Meine eiserne Bettstelle, die abends aufgeklappt wurde, stand immer neben der Badewanne, drin alle alten Bier- und Weinflaschen lagen. Und nun