Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 96)

ein gutes Zeichen. Durchschnittsmenschen glauben sich so schnell wie möglich verewigen zu müssen, damit die Herrlichkeit nicht ausstirbt. Ihr Lorenzen ist eben in allem, wie mir scheint, ein Ausnahmemensch. Also beginnen.«

»Ich bin dazu besten Willens, Frau Gräfin. Aber es ist zu spät dazu, denn das helle Licht, das Sie da sehen, das ist bereits unser Dampfer. Wir haben keine Wahl mehr, wir müssen abbrechen, wenn wir nicht im Eierhäuschen ein Nachtquartier nehmen wollen. Unterwegs ist übrigens Lorenzen ein wundervolles Thema, vorausgesetzt, daß uns der Anblick der Liebesinsel nicht wieder auf andre Dinge bringt. Aber hören Sie ... der Dampfer läutet schon ... wir müssen eilen. Bis an die Anlegestelle sind noch mindestens drei Minuten!«

Und nun war man glücklich auf dem Schiff, auf dem Woldemar und die Damen ihre schon auf der Hinfahrt innegehabten Plätze sofort wieder einnahmen. Nur die beiden in ihre Plaids gewickelten alten Herren schritten auf Deck auf und ab und sahen, wenn sie vorn am Bug­spriet eine kurze Rast machten, auf die vielen hundert Lichter, die sich von beiden Ufern her im Fluß spiegelten. Unten im Maschinenraum hörte man das Klappern und Stampfen, während die Schiffsschraube das Wasser nach hinten schleuderte, daß es in einem weißen Schaumstreifen dem Schiffe folgte. Sonst war alles still, so still, daß die Damen ihr Gespräch unterbrachen. »Armgard, du bist so schweigsam«, sagte Melusine, »finden Sie nicht auch, lieber Stechlin? Meine Schwester hat noch keine zehn Worte gesprochen.«

»Ich glaube, Gräfin, wir lassen die Komtesse. Manchem kleidet es zu sprechen, und manchem kleidet es zu schweigen. Jedes Beisammensein braucht einen Schweiger.«

»Ich werde Nutzen aus dieser Lehre ziehen.«

»Ich glaub’ es nicht, Gräfin, und vor allem wünsch’ ich es nicht. Wer könnt’ es wünschen?«

Sie drohte ihm mit dem Finger. Dann schwieg man wieder und sah auf die Landschaft, die da, wo der am Ufer hinlaufende Straßenzug breite Lücken aufwies, in tiefem Dunkel lag. Urplötzlich aber stieg gerad aus dem Dunkel heraus ein Lichtstreifen hoch in den Himmel und zerstob da, wobei rote und blaue Leuchtkugeln langsam zur Erde niederfielen.

»Wie schön«, sagte Melusine. »Das ist mehr, als wir erwarten durften; Ende gut, alles gut – nun haben wir auch noch ein Feuerwerk. Wo mag es sein? Welche Dörfer liegen da hinüber? Sie sind ja so gut wie ein Generalstäbler, lieber Stechlin, Sie müssen es wissen. Ich vermute Friedrichsfelde. Reizendes Dorf und reizendes Schloß. Ich war einmal da; die Dame des Hauses ist eine Schwester der Frau von Hülsen. Ist es Friedrichsfelde?«

»Vielleicht, gnädigste Gräfin. Aber doch nicht wahrscheinlich. Friedrichsfelde gehört nicht in die Reihe der Vororte, wo Feuerwerke sozusagen auf dem Programm stehen. Ich denke, wir lassen es im ungewissen und freuen uns der Sache selbst. Sehen Sie, jetzt beginnt es erst recht eigentlich. Die Rakete, die wir da vorhin gesehen haben, das war nur Vorspiel. Jetzt haben wir erst das Stück. Es ist zu weit ab, sonst würden wir das Knattern hören und die Kanonenschläge. Wahrscheinlich ist es Sedan oder Düppel oder der Übergang nach Alsen. Übrigens ist die Pyrotechnik eine profunde Wissenschaft geworden.«

»Und es soll

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