Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 99)

Sie nicht bloß den Joao de Deus, sondern auch meinen Freund Lorenzen. Er ist vielleicht nicht ganz wie sein Ideal. Aber Liebe gibt Ebenbürtigkeit.«

»Und so schlag’ ich denn vor«, sagte die Baronin, »daß wir den mit dem C, dessen Namen mir übrigens noch einfallen wird, vorläufig absetzen und statt seiner den neuen mit dem D leben lassen. Und natürlich unsern Lorenzen dazu.«

»Ja, leben lassen«, lachte Woldemar. »Aber womit? worin? Les jours de fête ...«, und er wies auf das Eierhäuschen zurück.

»In dieser Notlage wollen wir helfen, so gut es geht, und uns statt andrer Beschwörung einfach die Hände reichen, selbstverständlich über Kreuz; hier, erst Stechlin und Armgard und dann Melusine und ich.«

Und wirklich, sie reichten sich in heiterer Feierlichkeit die Hände.

Gleich danach aber traten die beiden alten Herren an die Gruppe heran, und der Baron sagte: »Das ist ja wie Rütli.«

»Mehr, mehr. Bah, Freiheit! Was ist Freiheit gegen Liebe!«

»So, hat’s denn eine Verlobung gegeben?«

»Nein ... noch nicht«, lachte Melusine.

WAHL IN RHEINBURG-WUTZ

 

Sechzehntes Kapitel

 

Der andre Morgen rief Woldemar zeitig zum Dienst. Als er um neun Uhr auf sein Zimmer zurückkehrte, fand er auf dem Frühstückstisch Zeitungen und Briefe. Darunter war einer mit einem ziemlich großen Siegel, der Lack schlecht und der Brief überhaupt von sehr unmodischer Erscheinung, ein bloß zusammengelegter Quartbogen. Woldemar, nach Poststempel und Handschrift sehr wohl wissend, woher und von wem der Brief kam, schob ihn, während Fritz den Tee brachte, beiseite, und erst als er eine Tasse genommen und länger als nötig dabei verweilt hatte, griff er wieder nach dem Brief und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich hätte mir, nach dem gestrigen Abend, heute früh was andres gewünscht als gerade diesen Brief.« Und während er das so vor sich hin sprach, standen ihm, er mochte wollen oder nicht, die letzten Wutzer Augenblicke wieder vor der Seele. Die Tante hatte, kurz bevor er das Kloster verließ, noch einmal vertraulich seine Hand genommen und ihm bei der Gelegenheit ausgesprochen, was sie seit lange bedrückte.

»Das Junggesellenleben, Woldemar, taugt nichts. Dein Vater war auch schon zu alt, als er sich verheiratete. Ich will nicht in deine Geheimnisse eindringen, aber ich möchte doch fragen dürfen: wie stehst du dazu ?«

»Nun, ein Anfang ist gemacht. Aber doch erst obenhin.«

»Berlinerin?«

»Ja und nein. Die junge Dame lebt seit einer Reihe von Jahren in Berlin und liebt unsre Stadt über Erwarten. Insoweit ist sie Berlinerin. Aber eigentlich ist sie doch keine; sie wurde drüben in London geboren, und ihre Mutter war eine Schweizerin.«

»Um Gottes willen!«

»Ich glaube, liebe Tante, du machst dir falsche Vorstellungen von einer Schweizerin. Du denkst sie dir auf einer Alm und mit einem Milchkübel.«

»Ich denke sie mir gar nicht, Woldemar. Ich weiß nur, daß es ein wildes Land ist.«

»Ein freies Land, liebe Tante.«

»Ja, das kennt man. Und wenn du das Spiel noch einigermaßen in der Hand hast, so beschwör’ ich dich ...«

An dieser Stelle war, wie schon vorher durch Fix, abermals (weil eine Störung kam) das Gespräch mit der Tante auf andre Dinge hingeleitet worden, und nun hielt er ihren Brief in

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