Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 53)

wihr. Süh doch, wie heh doa sitt. He kann doch nu nich wedder anfang´n.«

»Ne«, sagte Jakob, »dat kann he nich.«

Und Ede, der hinzukam und heute gerade seinen hochdeutschen Tag hatte, stimmte bei, freilich mit der Einschränkung, daß er auch von der voraufgegangenen »ersten Trauer« nicht viel wissen wollte.

»Wieder anfangen! Ja, was heißt wieder anfangen? Damals war es auch man so so. Drei Tage und nicht länger. Und paß auf, Male, diesmal knappst er noch was ab.«

Und wirklich, Ede, der aller Dummheit unerachtet, seinen Herrn gut kannte, behielt recht, und ehe noch der dritte Tag um war, ließ Hradscheck die Träumerei fallen und nahm das gesellige Leben wieder auf, das er schon während der zurückliegenden Wintermonate geführt hatte. Dazu gehörte, daß er alle vierzehn Tage nach Frankfurt und alle vier Wochen auch mal nach Berlin fuhr, wo er sich, nach Erledigung seiner kaufmännischen Geschäfte, kein anderes Vergnügen als einen Theaterabend gönnte. Deshalb stieg er auch regelmäßig in dem an der Ecke von Hohen-Steinweg und Königsstraße gelegenen »Gasthofe zum Kronprinzen« ab, von dem aus er bis zu dem damals in Blüte stehenden Königstädtischen Theater nur ein paar hundert Schritte hatte. War er dann wieder in Tschechin zurück, so gab er den Freunden und Stammgästen in der Weinstube, zu denen jetzt auch Schulze Woytasch gehörte, nicht bloß Szenen aus dem Angelyschen »Fest der Handwerker« und Holteis »Altem Feldherrn« und den »Wienern in Berlin« zum Besten, sondern sang ihnen auch allerlei Lieder und Arien vor: »War´s vielleicht um eins, war´s vielleicht um zwei, war´s vielleicht drei oder vier.« Und dann wieder: »In Berlin, sagt er, mußt du fein, sagt er, immer sein, sagt er usw.« Denn er besaß eine gute Tenorstimme. Besonderes Glück aber, weit über die Singspiel-Arien hinaus, machte er mit dem Leierkastenlied von »Herrn Schmidt und seinen sieben heiratslustigen Töchtern«, dessen erste Strophe lautete:

»Herr Schmidt, Herr Schmidt,

Was kriegt denn Julchen mit?«

»Ein Schleier und ein Federhut,

Das kleidet Julchen gar zu gut.«

Dies Lied von Herrn Schmidt und seinen Töchtern war das Entzücken Kunickes, das verstand sich von selbst, aber auch Schulze Woytasch versicherte jedem, der es hören wollte: »Für Hradscheck ist mir nicht bange; der kann ja jeden Tag aufs Theater. Ich habe Beckmann gesehen; nu ja, Beckmann is gut, aber Hradscheck is besser; er hat noch so was, ja wie soll ich sagen, er hat noch so was, was Beckmann nicht hat.«

Hradscheck gewöhnte sich an solchen Beifall, und wenn es sich auch gelegentlich traf, daß er bei seinem Berliner Aufenthalte, während dessen er allemal eine goldene Brille trug, keine Novität gesehen hatte, so kam er doch nie mit leeren Händen zurück, weil er sich nicht eher zufrieden gab, als bis er an den Schaufenstern der Buchläden irgendwas Komisches und unbändig Witziges ausgefunden hatte. Das hielt auch nie schwer, denn es war gerade die »Glaßbrenner- oder Brennglas-Zeit«, und wenn es solche Glasbrenner-Geschichten nicht sein konnten, nun so waren es Sammlungen alter und neuer Anekdoten, die damals in kleinen dürftigen Viergroschen-Büchelchen unter allerhand Namen und Titeln, so beispielsweise als »Brausepulver«, feilgeboten wurden. Ja, diese Büchelchen

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