Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 54)
fanden bei den Tschechinern einen ganz besonderen Beifall, weil die darin erzählten Geschichten immer kurz waren und nie lange auf die Pointe warten ließen, und wenn das Gespräch mal stockte, so hatte Kunicke den Stammwitz: »Hradscheck, ein Brausepulver.«
Es war Anfang Oktober, als Hradscheck wieder mal in Berlin war, diesmal auf mehrere Tage, während er sonst immer den dritten Tag schon wieder nach Hause kam. Ede, der mittlerweile das Geschäft versah, paßte gut auf den Dienst, und nur in der Stunde von eins bis zwei, wo sich kaum ein Mensch im Laden sehen ließ, gefiel er sich darin, den Herrn zu spielen und, ganz so wie Hradscheck zu tun pflegte, mit auf den Rücken gelegten Händen im Garten auf und ab zu gehen. Das tat er auch heute wieder, zugleich aber rief er nach Jakob und trug ihm auf, und zwar in ziemlich befehlshaberischem Tone, daß er einen neuen Reifen um die Wassertonne legen solle. Dann sah er nach den Starkästen am Birnbaum und zog einen Zweig zu sich herab, um noch eine der nachgereiften »Franzosenbirnen« zu pflücken. Es war ein Prachtexemplar, in das er sofort einbiß. Als er aber den Zweig wieder los ließ, sah er, daß die Jeschke drüben am Zaune stand.
»Dag, Ede.«
»Dag, Mutter Jeschke.«
»Na, schmeckt et?«
»I worümm nich? Is joa ne Malvasier.«
»Joa. Vördem wihr et ne Malvesier. Awers nu …«
»Nu is et ne ›Franzosenbeer‹. Ick weet woll. Awers dat´s joa all een.«
»Joa, wer weet, Ede. Doa is nu so wat mang. Heste noch nix maarkt?«
Der Junge ließ erschreckt die Birne fallen, das alte Weib aber bückte sich danach und sagte: »Ick meen joa nich de Beer. Ick meen sünnsten.«
»Wat denn? Wo denn?«
»Na, so rümm um´t Huus.«
»Nei, Mutter Jeschke.«
»Un ook nich unnen in´n Keller? Hest noch nix siehn o´r hürt?«
»Nei, Mutter Jeschke. Man blot …«
»Un grappscht ook nich?«
Der Junge war ganz blaß geworden.
»Joa, Mutter Jeschke, mal wihr mi so. Mal wihr mi so, as hüll mi wat an de Hacken. Joa, ich glöw, et grappscht.«
Die Jeschke sah ihren Zweck erreicht und lenkte deshalb geschickt wieder ein. »Ede, du bist ne Bangbüchs. Ick hebb joa man spoaßt. Is joa man all dumm Tüg.«
Und damit ging sie wieder auf ihr Haus zu und ließ den Jungen stehen.
Drei Tage danach war Hradscheck wieder aus Berlin zurück, in vergnüglicherer Stimmung als seit lange, denn er hatte nicht nur alles Geschäftliche glücklich erledigt, sondern auch die Bekanntschaft einer jungen Dame gemacht, die sich seiner Person wie seinen Heiratsplänen geneigt gezeigt hatte. Diese junge Dame war die Tochter aus einem Destillationsgeschäft, groß und stark, mit etwas hervortretenden, immer lachenden Augen, eine Vollblut-Berlinerin. »Forsch und fidel« war ihre Losung, der auch ihre Lieblingsredensart: »Ach, das ist ja zum Totlachen« entsprach. Aber dies war nur so für alle Tage. Wurd ihr dann wohliger ums Herz, so wurden es auch ihre Redewendungen, und sie sagte dann: »I da muß ja ´ne alte Wand wackeln«, oder »Das ist ja gleich, um einen Buckel zu kriegen.« Ihr Schönstes waren Landpartien einschließlich gesellschaftlicher Spiele, wie Zeck oder Plumpsack, dazu saure Milch