Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 56)

bis an mein Lebensende geschworen, daß er Geelhaar geheißen haben müsse.«

Kunicke schüttelte sich und wollte von keinem anderen Namen als Geelhaar wissen, und als man sich endlich ausgetobt und ausgejubelt hatte (nur Woytasch, als Dorfobrigkeit, sah etwas mißbilligend drein), sagte Quaas: »Kinder, so was haben wir nicht alle Tage, denn Hradscheck kommt nicht alle Tage von Berlin. Ich denke deshalb, wir machen noch eine Bowle: drei Mosel, eine Rheinwein, eine Burgunder. Und nicht zu süß. Sonst haben wir morgen Kopfweh. Es ist erst halb zwölf, fehlen noch fünf Minuten. Und wenn wir uns ´ran halten, machen wir um Mitternacht die Nagelprobe.«

»Bravo!« stimmte man ein. »Aber nicht zu früh; Mitternacht ist zu früh.«

Und Hradscheck erhob sich, um Ede, der verschlafen im Laden auf einem vorgezogenen Zuckerkasten saß, in den Keller zu schicken und die fünf Flaschen heraufholen zu lassen. »Und paß auf Ede; der Burgunder liegt durcheinander, roter und weißer, der mit dem grünen Lack ist es.«

Ede rieb sich den Schlaf aus den Augen, nahm Licht und Korb und hob die Falltür auf, die zwischen den übereinander gepackten Ölfässern, und zwar an der einzig frei gebliebenen Stelle, vom Flur her in den Keller führte.

Nach ein paar Minuten war er wieder oben und klopfte vom Laden her an die Tür, zum Zeichen, daß alles da sei.

»Gleich«, rief der wie gewöhnlich mitten in einem Vortrage steckende Hradscheck, »gleich«, und trat erst, als er seinen Satz beendet hatte, von der Weinstube her in den Laden. Hier schob er sich eine schon vorher aus der Küche heranbeorderte Terrine bequem zurecht und griff nach dem Korkzieher, um die Flasche aufzuziehen. Als er aber den Burgunder in die Hand nahm, gab er dem Jungen, halb ärgerlich, halb gutmütig, einen Tipp auf die Schulter und sagte: »Bist ein Döskopp, Ede. Mit grünem Lack, hab ich dir gesagt. Und das ist gelber. Geh und hol ´ne richtige Flasche. Wer´s nich im Kopp hat, muß es in den Beinen haben«.

Ede rührte sich nicht.

»Nun, Junge, wird es? Mach flink.«

»Ick geih nich.«

»Du gehst nich? warum nich?«

»Et spökt.«

»Wo?«

»Unnen … Unnen in ´n Keller.«

»Junge, bist du verrückt? Ich glaube, dir steckt schon der Mitternachtsgrusel im Leibe. Rufe Jakob. Oder nein, der is schon zu Bett; rufe Male, die soll kommen und dich beschämen. Aber laß nur.«

Und dabei ging er selber bis an die Küchentüre und rief hinaus: »Male.«

Die Gerufene kam.

»Geh in den Keller, Male.«

»Nei, Herr Hradscheck, ick geih nich.«

»Auch du nich. Warum nich?«

»Et spökt.«

»Ins Dreideibels Namen, was soll der Unsinn?«

Und er versuchte zu lachen. Aber er hielt sich dabei nur mit Mühe auf den Beinen, denn ihn schwindelte. Zu gleicher Zeit empfand er deutlich, daß er kein Zeichen von Schwäche geben dürfe, vielmehr umgekehrt bemüht sein müsse, die Weigerung der beiden ins Komische zu ziehen, und so riß er denn die Tür zur Weinstube weit und rief hinein: »Eine Neuigkeit, Kunicke …«

»Nu, was gibt´s?«

»Unten spukt es. Ede will nicht mehr in den Keller und Male natürlich auch nicht. Es sieht schlecht aus mit unserer Bowle. Wer kommt mit? Wenn zwei kommen, spukt es nicht

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