Ungekürztes Werk "Egmont" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 13)
Der Tumult stillt sich nach, und nach und alle stehn um ihn herum.
Zimmermann: Sie schlagen sich um ihre Privilegien.
Egmont: Die sie noch mutwillig zertrümmern werden – Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute.
Zimmermann: Das ist unser Bestreben.
Egmont: Eures Zeichens?
Zimmermann: Zimmermann und Zunftmeister.
Egmont: Und Ihr?
Soest: Krämer.
Egmont: Ihr?
Jetter: Schneider.
Egmont: Ich erinnre mich, Ihr habt mit an den Livreen für meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter.
Jetter: Gnade, daß Ihr Euch dessen erinnert.
Egmont: Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. – Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid übel genug angeschrieben. Reizt den König nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in Händen. Ein ordentlicher Bürger, der sich ehrlich und fleißig nährt, hat überall soviel Freiheit, als er braucht.
Zimmermann: Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die Söffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stänkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lügen den Neugierigen und Leichtgläubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie Händel an, die viel tausend Menschen unglücklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Häuser und Kasten zu gut verwahrt, da möchten sie gern uns mit Feuerbränden davon treiben.
Egmont: Allen Beistand sollt ihr finden, es sind Maßregeln genommen, dem Übel kräftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daß sie sich auf den Straßen rotten. Vernünftige Leute können viel tun.
Indessen hat sich der größte Haufe verlaufen.
Zimmermann: Danken Euer Exzellenz, danken für die gute Meinung! Alles, was an uns liegt.
Egmont ab.
Ein gnäd’ger Herr! der echte Niederländer! gar so nichts Spanisches.
Jetter: Hätten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt’ ihm gerne.
Soest: Das läßt der König wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen.
Jetter: Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt.
Zimmermann: Ein schöner Herr!
Jetter: Sein Hals wär ein rechtes Fressen für einen Scharfrichter.
Soest: Bist du toll? was kommt dir ein?
Jetter: Dumm genug, daß einem so etwas einfällt. – Es ist mir nun so. Wenn ich einen schönen langen Hals sehe, muß ich gleich wider Willen denken: der ist gut köpfen. – Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den säh ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich’s an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden Spaß hab ich bald vergessen; die fürchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt.