Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 38)

erste war!

MARTHE. Das muß Sie nicht der Mutter sagen!

Täts wieder gleich zur Beichte tragen.

MARGARETE. Ach, seh Sie nur! ach, schau Sie nur!

MARTHE putzt sie auf. O du glückselge Kreatur!

MARGARETE. Darf mich leider nicht auf der Gassen

Noch in der Kirche mit sehen lassen.

MARTHE. Komm du nur oft zu mir herüber

Und leg den Schmuck hier heimlich an!

Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber:

Wir haben unsre Freude dran!

Und dann gibts einen Anlaß, gibts ein Fest,

Wo mans so nach und nach den Leuten sehen läßt:

Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr –

Die Mutter siehts wohl nicht, man macht ihr auch was vor.

MARGARETE. Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?

Es geht nicht zu mit rechten Dingen! Es klopft.

MARGARETE. Ach Gott! mag das meine Mutter sein?

MARTHE durchs Vorhängel guckend.

Es ist ein fremder Herr! – Herein!

 

Mephistopheles tritt auf.

 

MEPHISTOPHELES. Bin so frei, grad hereinzutreten,

Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.

Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück.

Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!

MARTHE. Ich bins! Was hat der Herr zu sagen?

MEPHISTOPHELES leise zu ihr.

Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;

Sie hat da gar vornehmen Besuch.

Verzeiht die Freiheit, die ich genommen!

Will Nachmittage wiederkommen.

MARTHE laut. Denk, Kind, um alles in der Welt!

Der Herr dich für ein Fräulein hält.

MARGARETE. Ich bin ein armes junges Blut;

Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:

Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.

MEPHISTOPHELES. Ach, es ist nicht der Schmuck allein!

Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf! –

Wie freut michs, daß ich bleiben darf!

MARTHE. Was bringt Er denn? Verlange sehr –

MEPHISTOPHELES. Ich wollt, ich hätt eine frohere Mär!

Ich hoffe, Sie läßt michs drum nicht büßen:

Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.

MARTHE. Ist tot? das treue Herz! O weh!

Mein Mann ist tot! Ach, ich vergeh!

MARGARETE. Ach, liebe Frau, verzweifelt nicht!

MEPHISTOPHELES. So hört die traurige Geschicht!

MARGARETE. Ich möchte drum mein Tag nicht lieben;

Würde mich Verlust zu Tode betrüben.

MEPHISTOPHELES. Freud muß Leid, Leid muß Freude haben.

MARTHE. Erzählt mir seines Lebens Schluß!

MEPHISTOPHELES. Er liegt in Padua begraben

Beim heiligen Antonius,

An einer wohlgeweihten Stätte

Zum ewig-kühlen Ruhebette.

MARTHE. Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?

MEPHISTOPHELES. Ja, eine Bitte, groß und schwer:

Laß Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!

Im übrigen sind meine Taschen leer.

MARTHE. Was! Nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?

Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,

Zum Angedenken aufbewahrt,

Und lieber hungert, lieber bettelt!

MEPHISTOPHELES. Madam, es tut mir herzlich leid;

Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.

Auch er bereute seine Fehler sehr,

Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.

MARGARETE. Ach, daß die Menschen so unglücklich sind!

Gewiß, ich will für ihn manch Requiem noch beten.

MEPHISTOPHELES. Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten:

Ihr seid ein liebenswürdig Kind.

MARGARETE. Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.

MEPHISTOPHELES. Ists nicht ein Mann, seis derweil ein Galan!

's ist eine der größten Himmelsgaben

So ein lieb Ding im Arm zu haben.

MARGARETE. Das ist des Landes nicht der Brauch.

MEPHISTOPHELES.

Seiten