Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 39)

Brauch oder nicht! Es gibt sich auch.

MARTHE. Erzählt mir doch!

MEPHISTOPHELES.            Ich stand an seinem Sterbebette,

Es war was besser als von Mist:

Von halbgefaultem Stroh! allein er starb als Christ

Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.

»Wie«, rief er, »muß ich mich von Grund aus hassen:

So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!

Ach, die Erinnrung tötet mich!

Vergäb sie mir nur noch in diesem Leben –«

MARTHE weinend.

Der gute Mann! ich hab ihm längst vergeben.

MEPHISTOPHELES. »Allein, weiß Gott! sie war mehr schuld als ich.«

MARTHE. Das lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen!

MEPHISTOPHELES. Er fabelte gewiß in letzten Zügen,

Wenn ich nur halb ein Kenner bin.

»Ich hatte«, sprach er, »nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,

Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,

Und Brot im allerweitsten Sinn,

Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.«

MARTHE. Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen,

Der Plackerei bei Tag und Nacht!

MEPHISTOPHELES.

Nicht doch! er hat Euch herzlich dran gedacht.

Er sprach: »Als ich nun weg von Malta ging,

Da betet ich für Frau und Kinder brünstig;

Uns war denn auch der Himmel günstig,

Daß unser Schiff ein türkisch Fahrzeug fing,

Das einen Schatz des großen Sultans führte.

Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,

Und ich empfing denn auch, wie sich gebührte,

Mein wohlgemeßnes Teil davon.«

MARTHE. Ei wie? ei wo? Hat ers vielleicht vergraben?

MEPHISTOPHELES.

Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben!

Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an,

Als er in Napel fremd umherspazierte:

Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan,

Daß ers bis an sein selig Ende spürte.

MARTHE. Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!

Auch alles Elend, alle Not

Konnt nicht sein schändlich Leben hindern!

MEPHISTOPHELES. Ja seht, dafür ist er nun tot!

Wär ich nun jetzt an Eurem Platze,

Betraurt ich ihn ein züchtig Jahr,

Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.

MARTHE. Ach Gott! wie doch mein erster war,

Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!

Es konnte kaum ein herziger Närrchen sein.

Er liebte nur das allzuviele Wandern,

Und fremde Weiber, und fremden Wein,

Und das verfluchte Würfelspiel!

MEPHISTOPHELES. Nun, nun, so konnt es gehn und stehen,

Wenn er Euch ungefähr so viel

Von seiner Seite nachgesehen.

Ich schwör Euch zu: mit dem Beding

Wechselt ich selbst mit Euch den Ring!

MARTHE. O es beliebt dem Herrn zu scherzen!

MEPHISTOPHELES für sich. Nun mach ich mich beizeiten fort!

Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort. Zu Gretchen.

Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?

MARGARETE. Was meint der Herr damit?

MEPHISTOPHELES für sich. Du guts, unschuldigs Kind! Laut.

Lebt wohl, ihr Fraun!

MARGARETE.           Lebt wohl!

MARTHE.                                    O sagt mir doch geschwind –

Ich möchte gern ein Zeugnis haben,

Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben!

Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,

Möcht ihn auch tot im Wochenblättchen lesen.

MEPHISTOPHELES. Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund

Wird allerwegs die Wahrheit kund.

Habe noch gar einen feinen Gesellen,

Den will ich Euch vor den Richter stellen.

Seiten