Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 41)

uns dazu treiben!

Mit wie viel Schmerz verläßt man manchen Ort

Und darf doch nun einmal nicht bleiben!

MARTHE. In raschen Jahren gehts wohl an,

So um und um frei durch die Welt zu streifen;

Doch kömmt die böse Zeit heran,

Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,

Das hat noch keinem wohlgetan.

MEPHISTOPHELES. Mit Grausen seh ich das von weiten.

MARTHE. Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten!

Gehn vorüber.

MARGARETE. Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!

Die Höflichkeit ist Euch geläufig;

Allein Ihr habt der Freunde häufig,

Sie sind verständiger, als ich bin.

FAUST. O Beste! glaube, was man so verständig nennt,

Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.

MARGARETE.                                Wie?

FAUST. Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie

Sich selbst und ihren heilgen Wert erkennt!

Daß Demut, Niedrigkeit, die höchsten Gaben

Der liebevoll austeilenden Natur –

MARGARETE. Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur,

Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben.

FAUST. Ihr seid wohl viel allein?

MARGARETE. Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein,

Und doch will sie versehen sein.

Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken

Und nähn und laufen früh und spat,

Und meine Mutter ist in allen Stücken

So akkurat!

Nicht, daß sie just so sehr sich einzuschränken hat;

Wir könnten uns weit ehr als andre regen:

Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,

Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.

Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage:

Mein Bruder ist Soldat,

Mein Schwesterchen ist tot.

Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;

Doch übernähm ich gern noch einmal alle Plage,

So lieb war mir das Kind.

FAUST.                            Ein Engel, wenn dirs glich!

MARGARETE. Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich.

Es war nach meines Vaters Tod geboren.

Die Mutter gaben wir verloren,

So elend wie sie damals lag,

Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.

Da konnte sie nun nicht dran denken,

Das arme Würmchen selbst zu tränken,

Und so erzog ichs ganz allein,

Mit Milch und Wasser: so wards mein!

Auf meinem Arm, in meinem Schoß

Wars freundlich, zappelte, ward groß.

FAUST. Du hast gewiß das reinste Glück empfunden.

MARGARETE. Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.

Des Kleinen Wiege stand zu Nacht

An meinem Bett: es durfte kaum sich regen,

War ich erwacht!

Bald mußt ichs tränken, bald es zu mir legen,

Bald, wenns nicht schwieg, vom Bett aufstehn

Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,

Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn,

Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,

Und immer fort wie heut so morgen.

Da gehts, mein Herr, nicht immer mutig zu;

Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.

Gehn vorüber.

MARTHE. Die armen Weiber sind doch übel dran:

Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.

MEPHISTOPHELES. Es käme nur auf Euresgleichen an,

Mich eines Bessern zu belehren.

MARTHE.

Sagt grad, mein Herr: Habt Ihr noch nichts gefunden?

Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?

MEPHISTOPHELES. Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,

Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert.

MARTHE. Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?

MEPHISTOPHELES. Man

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