Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 42)
hat mich überall recht höflich aufgenommen.
MARTHE. Ich wollte sagen: wards nie Ernst in Eurem Herzen?
MEPHISTOPHELES. Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.
MARTHE. Ach, Ihr versteht mich nicht!
MEPHISTOPHELES. Das tut mir herzlich leid!
Doch ich versteh – daß Ihr sehr gütig seid.
Gehn vorüber.
FAUST. Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
MARGARETE. Saht Ihr es nicht? ich schlug die Augen nieder.
FAUST. Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jüngst aus dem Dom gegangen?
MARGARETE. Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
Es konnte niemand von mir Übels sagen.
Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen
Was Freches, Unanständiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieser Dirne gradehin zu handeln.
Gesteh ichs doch: ich wußte nicht, was sich
Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;
Allein gewiß, ich war recht bös auf mich,
Daß ich auf Euch nicht böser werden konnte.
FAUST. Süß Liebchen!
MARGARETE. Laßt einmal!
Sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem andern.
FAUST. Was soll das? Einen Strauß?
MARGARETE. Nein, es soll nur ein Spiel.
FAUST. Wie?
MARGARETE. Geht! Ihr lacht mich aus.
Sie rupft und murmelt.
FAUST. Was murmelst du?
MARGARETE halblaut. Er liebt mich – liebt mich nicht –
FAUST. Du holdes Himmelsangesicht!
MARGarete fährt fort. Liebt mich – nicht – liebt mich – nicht –
Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.
Er liebt mich!
FAUST. Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort
Dir Götterausspruch sein! Er liebt dich!
Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!
Er faßt ihre beiden Hände.
MARGARETE. Mich überläufts!
FAUST. O schaudre nicht! Laß diesen Blick,
Laß diesen Händedruck dir sagen,
Was unaussprechlich ist:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
Zu fühlen, die ewig sein muß!
Ewig?! – Ihr Ende würde Verzweiflung sein.
Nein, kein Ende! kein Ende!
Margarete drückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg.
Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.
MARTHE kommend. Die Nacht bricht an.
MEPHISTOPHELES. Ja, und wir wollen fort.
MARTHE. Ich bät Euch, länger hierzubleiben;
Allein es ist ein gar zu böser Ort:
Es ist, als hätte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu schaffen,
Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt. –
Und unser Pärchen?
MEPHISTOPHELES. Ist den Gang dort aufgeflogen.
Mutwillge Sommervögel!
MARTHE. Er scheint ihr gewogen.
MEPHISTOPHELES. Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Ein Gartenhäuschen
Margarete springt herein, steckt sich hinter die Tür, hält die Fingerspitze
an die Lippen und guckt durch die Ritze.
MARGARETE. Er kommt!
FAUST kommt. Ach Schelm, so neckst du mich!
Treff ich dich Er küßt sie.
MARGARETE ihn fassend und den Kuß zurückgebend.
Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!
Mephistopheles klopft an.
FAUST stampfend. Wer da?
MEPHISTOPHELES. Gut Freund!
FAUST. Ein Tier!
MEPHISTOPHELES. Es ist wohl Zeit zu scheiden.
MARTHE kommt. Ja, es ist spät, mein Herr.
FAUST. Darf ich Euch nicht geleiten?
MARGARETE. Die Mutter würde mich – Lebt wohl!
FAUST. Muß ich denn gehn?
Lebt wohl!
MARTHE. Ade!
MARGARETE. Auf baldig Wiedersehn!