Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 48)

Gretchens Türe.

 

VALENTIN, Soldat, Gretchens Bruder.

Wenn ich so saß bei einem Gelag,

Wo mancher sich berühmen mag,

Und die Gesellen mir den Flor

Der Mägdlein laut gepriesen vor,

Mit vollem Glas das Lob verschwemmt:

Den Ellenbogen aufgestemmt,

Saß ich in meiner sichern Ruh,

Hört all dem Schwadronieren zu

Und streiche lächelnd meinen Bart

Und kriege das volle Glas zur Hand

Und sage: Alles nach seiner Art!

Aber ist Eine im ganzen Land,

Die meiner trauten Gretel gleicht,

Die meiner Schwester das Wasser reicht?

Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum!

Die einen schrieen: »Er hat recht,

Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht!«

Da saßen alle die Lober stumm.

Und nun! – um's Haar sich auszuraufen

Und an den Wänden hinaufzulaufen!

Mit Stichelreden, Naserümpfen

Soll jeder Schurke mich beschimpfen!

Soll wie ein böser Schuldner sitzen,

Bei jedem Zufallswörtchen schwitzen!

Und möcht ich sie zusammenschmeißen,

Könnt ich sie doch nicht Lügner heißen.

 

Was kommt heran? was schleicht herbei?

Irr ich nicht, es sind ihrer zwei.

Ist ers, gleich pack ich ihn beim Felle:

Soll nicht lebendig von der Stelle!

 

Faust, Mephistopheles.

 

FAUST. Wie von dem Fenster dort der Sakristei

Aufwärts der Schein des ewgen Lämpchens flämmert

Und schwach und schwächer seitwärts dämmert,

Und Finsternis drängt ringsum bei!

So siehts in meinem Busen nächtig.

MEPHISTOPHELES. Und mir ists wie dem Kätzlein schmächtig,

Das an den Feuerleitern schleicht,

Sich leis dann um die Mauern streicht;

Mir ists ganz tugendlich dabei,

Ein bißchen Diebsgelüst, ein bißchen Rammelei.

So spukt mir schon durch alle Glieder

Die herrliche Walpurgisnacht.

Die kommt uns übermorgen wieder:

Da weiß man doch, warum man wacht.

FAUST. Rückt wohl der Schatz indessen in die Höh,

Den ich dorthinten flimmern seh?

MEPHISTOPHELES. Du kannst die Freude bald erleben,

Das Kesselchen herauszuheben.

Ich schielte neulich so hinein:

Sind herrliche Löwentaler drein.

FAUST. Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring,

Meine liebe Buhle damit zu zieren?

MEPHISTOPHELES. Ich sah dabei wohl so ein Ding

Als wie eine Art von Perlenschnüren.

FAUST. So ist es recht! Mir tut es weh,

Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh.

MEPHISTOPHELES. Es sollt Euch eben nicht verdrießen,

Umsonst auch etwas zu genießen. –

Jetzt, da der Himmel voller Sterne glüht,

Sollt Ihr ein wahres Kunststück hören:

Ich sing ihr ein moralisch Lied,

Um sie gewisser zu betören.

Singt zur Zither.

Was machst du mir

Vor Liebchens Tür,

Kathrinchen, hier

Bei frühem Tagesblicke?

Laß, laß es sein!

Er läßt dich ein,

Als Mädchen ein,

Als Mädchen nicht zurücke.

 

Nehmt euch in acht!

Ist es vollbracht,

Dann gute Nacht,

Ihr armen, armen Dinger!

Habt ihr euch lieb,

Tut keinem Dieb

Nur nichts zulieb

Als mit dem Ring am Finger!

 

VALENTIN tritt vor.

Wen lockst du hier? beim Element!

Vermaledeiter Rattenfänger!

Zum Teufel erst das Instrument!

Zum Teufel hinterdrein den Sänger!

MEPHISTOPHELES. Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.

VALENTIN. Nun soll es an ein Schädelspalten!

MEPHISTOPHELES zu Faust.

Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch!

Hart an mich an, wie ich Euch führe!

Heraus mit Eurem Flederwisch!

Nur zugestoßen! ich pariere!

VALENTIN. Pariere den!

MEPHISTOPHELES.       Warum denn

Seiten