Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 51)

ich holde Liebesklage,

Stimmen jener Himmelstage?

Was wir hoffen, was wir lieben!

Und das Echo, wie die Sage

Alter Zeiten, hallet wider.

 

»Uhu! Schuhu!« tönt es näher:

Kauz und Kiebitz und der Häher,

Sind sie alle wachgeblieben?

Sind das Molche durchs Gesträuche?

Lange Beine, dicke Bäuche!

Und die Wurzeln, wie die Schlangen,

Winden sich aus Feld und Sande,

Strecken wunderliche Bande,

Uns zu schrecken, uns zu fangen:

Aus belebten, derben Masern

Strecken sie Polypenfasern

Nach dem Wandrer. Und die Mäuse,

Tausendfärbig, scharenweise,

Durch das Moos und durch die Heide!

Und die Funkenwürmer fliegen

Mit gedrängten Schwärmezügen

Zum verwirrenden Geleite.

 

Aber sag mir, ob wir stehen

Oder ob wir weitergehen!

Alles, alles scheint zu drehen:

Fels und Bäume, die Gesichter

Schneiden, und die irren Lichter,

Die sich mehren, die sich blähen.

 

MEPHISTOPHELES. Fasse wacker meinen Zipfel!

Hier ist so ein Mittelgipfel,

Wo man mit Erstaunen sieht,

Wie im Berg der Mammon glüht.

FAUST. Wie seltsam glimmert durch die Gründe

Ein morgenrötlich-trüber Schein!

Und selbst bis in die tiefen Schlünde

Des Abgrunds wittert er hinein.

Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,

Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor;

Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,

Dann bricht sie wie ein Quell hervor.

Hier schlingt sie eine ganze Strecke

Mit hundert Adern sich durchs Tal,

Und hier in der gedrängten Ecke

Vereinzelt sie sich auf einmal.

Da sprühen Funken in der Nähe

Wie ausgestreuter goldner Sand.

Doch schau: in ihrer ganzen Höhe

Entzündet sich die Felsenwand!

MEPHISTOPHELES. Erleuchtet nicht zu diesem Feste

Herr Mammon prächtig den Palast?

Ein Glück, daß dus gesehen hast:

Ich spüre schon die ungestümen Gäste.

FAUST. Wie rast die Windsbraut durch die Luft!

Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!

MEPHISTOPHELES. Du mußt des Felsens alte Rippen packen,

Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.

Ein Nebel verdichtet die Nacht.

Höre, wies durch die Wälder kracht!

Aufgescheucht fliegen die Eulen.

Hör, es splittern die Säulen

Ewig-grüner Paläste!

Girren und Brechen der Äste!

Der Stämme mächtiges Dröhnen!

Der Wurzeln Knarren und Gähnen!

Im fürchterlich-verworrenen Falle

Übereinander krachen sie alle,

Und durch die übertrümmerten Klüfte

Zischen und heulen die Lüfte.

Hörst du Stimmen in der Höhe?

In der Ferne? in der Nähe?

Ja, den ganzen Berg entlang

Strömt ein wütender Zaubergesang!

HEXEN im Chor. Die Hexen zu dem Brocken ziehn,

Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.

Dort sammelt sich der große Hauf,

Herr Urian sitzt obenauf.

So geht es über Stein und Stock

Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock.

STIMME. Die alte Baubo kommt allein;

Sie reitet auf einem Mutterschwein.

CHOR. So Ehre denn, wem Ehre gebührt!

Frau Baubo vor! und angeführt!

Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,

Da folgt der ganze Hexenhauf.

STIMME. Welchen Weg kommst du her?

STIMME.                                                    Übern Ilsenstein!

Da guckt ich der Eule ins Nest hinein.

Die macht ein Paar Augen!

STIMME.                              O fahre zur Hölle!

Was reitst du so schnelle!

STIMME. Mich hat sie geschunden:

Da sieh nur die Wunden!

HEXEN. CHOR. Der Weg ist breit, der Weg ist lang,

Was ist das für ein toller Drang!

Die Gabel

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