Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 9)

viel, doch möcht ich alles wissen. Ab.

FAUST allein.

Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,

Der immerfort an schalem Zeuge klebt,

Mit gierger Hand nach Schätzen gräbt

Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!

 

Darf eine solche Menschenstimme hier,

Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?

Doch ach! für diesmal dank ich dir,

Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.

Du rissest mich von der Verzweiflung los,

Die mir die Sinne schon zerstören wollte.

Ach! die Erscheinung war so riesengroß,

Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.

 

Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon

Ganz nah gedünkt dem Spiegel ewger Wahrheit,

Sein selbst genoß in Himmelsglanz und Klarheit,

Und abgestreift den Erdensohn,

Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft

Schon durch die Adern der Natur zu fließen

Und, schaffend, Götterleben zu genießen

Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ichs büßen!

Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.

 

Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen!

Hab ich die Kraft, dich anzuziehn, besessen,

So hatt ich dich zu halten keine Kraft.

In jenem selgen Augenblicke

Ich fühlte mich so klein, so groß;

Du stießest grausam mich zurücke

Ins ungewisse Menschenlos.

Wer lehret mich? was soll ich meiden?

Soll ich gehorchen jenem Drang?

Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,

Sie hemmen unsres Lebens Gang.

 

Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,

Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;

Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,

Dann heißt das Bessre Trug und Wahn.

Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle

Erstarten in dem irdischen Gewühle.

 

Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug

Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,

So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,

Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.

Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,

Dort wirket sie geheime Schmerzen,

Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;

Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,

Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,

Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift:

Du bebst vor allem, was nicht trifft,

Und was du nie verlierst, das mußt du stets beweinen.

 

Den Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt!

Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt,

Den, wie er sich im Staube nährend lebt,

Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt!

 

Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand

Aus hundert Fächern mir verenget?

Der Trödel, der mit tausendfachem Tand

In dieser Mottenwelt mich dränget?

Hier soll ich finden, was mir fehlt?

Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,

Daß überall die Menschen sich gequält,

Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? –

Was grinsest du mir, hohler Schädel, her?

Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret

Den lichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,

Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret!

Ihr Instrumente freilich spottet mein

Mit Rad und Kämmen, Walz und Bügel:

Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;

Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.

Geheimnisvoll am lichten Tag,

Läßt sich Natur

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