Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 23)

gleich das Drama seinen Lauf!

Der Herr befiehlts: ihr Wände, tut euch auf!

Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand:

Die Teppche schwinden, wie gerollt vom Brand;

Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,

Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,

Geheimnisvoll ein Schein uns zu erhellen,

Und ich besteige das Proszenium.

MEPHISTOPHELES aus dem Souffleurloche auftauchend.

Von hier aus hoff ich allgemeine Gunst;

Einbläsereien sind des Teufels Redekunst.

Zum Astrologen.

Du kennst den Takt, in dem die Sterne gehn,

Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.

ASTROLOG. Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau,

Massiv genug, ein alter Tempelbau.

Dem Atlas gleich, der einst den Himmel trug,

Stehn reihenweis der Säulen hier genug;

Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,

Da zweie schon ein groß Gebäude trügen.

ARCHITEKT. Das wär antik! ich wüßt es nicht zu preisen!

Es sollte plump und überlästig heißen.

Roh nennt man edel, unbehülflich groß.

Schmalpfeiler lieb ich, strebend, grenzenlos;

Spitzbögiger Zenit erhebt den Geist;

Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.

ASTROLOG. Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden!

Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden;

Dagegen weitheran bewege frei

Sich herrliche, verwegne Phantasei!

Mit Augen schaut nun, was ihr kühn begehrt!

Unmöglich ists, drum eben glaubenswert.

Faust steigt auf der andern Seite des Proszeniums herauf.

ASTROLOG. Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,

Der nun vollbringt, was er getrost begann!

Ein Dreifuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,

Schon ahn ich aus der Schale Weihrauchduft.

Er rüstet sich, das hohe Werk zu segnen;

Es kann fortan nur Glückliches begegnen.

FAUST großartig. In eurem Namen, Mütter, die ihr thront

Im Grenzenlosen, ewig einsam wohnt,

Und doch gesellig! Euer Haupt umschweben

Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.

Was einmal war in allem Glanz und Schein,

Es regt sich dort; denn es will ewig sein.

Und ihr verteilt es, allgewaltige Mächte,

Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.

Die einen faßt des Lebens holder Lauf,

Die andern sucht der kühne Magier auf;

In reicher Spende läßt er voll Vertrauen,

Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.

ASTROLOG. Der glühnde Schlüssel rührt die Schale kaum,

Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum;

Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,

Gedehnt, geballt, verschränkt, geteilt, gepaart.

Und nun erkennt ein Geistermeisterstück:

So wie sie wandeln, machen sie Musik!

Aus luftgen Tönen quillt ein Weißnichtwie;

Indem sie ziehn, wird alles Melodie.

Der Säulenschaft, auch die Triglyphe klingt;

Ich glaube gar, der ganze Tempel singt!

Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor

Ein schöner Jüngling tritt im Takt hervor.

Hier schweigt mein Amt, ich brauch ihn nicht zu nennen:

Wer sollte nicht den holden Paris kennen!

DAME. O! welch ein Glanz aufblühender Jugendkraft!

ZWEITE. Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!

DRITTE. Die fein gezogenen, süß geschwollnen Lippen!

VIERTE. Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?

FÜNFTE. Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.

SECHSTE. Ein bißchen könnt er doch gewandter sein.

RITTER. Den Schäferknecht glaub ich allhier zu spüren,

Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.

ANDRER. Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön;

Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn!

DAME. Er setzt sich nieder,

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