Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 30)

zeige deine Gabe!

WAGNER immer in die Phiole schauend.

Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe!

Die Seitentür öffnet sich, man sieht Faust auf dem Lager hingestreckt.

HOMUNCULUS erstaunt. Bedeutend! –

Die Phiole entschlüpft aus Wagners Händen, schwebt über Faust

und beleuchtet ihn.                             Schön umgeben! Klar Gewässer

Im dichten Haine! Fraun, die sich entkleiden,

Die allerliebsten! Das wird immer besser.

Doch eine läßt sich glänzend unterscheiden;

Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme!

Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;

Des edlen Körpers holde Lebensflamme

Kühlt sich im schmiegsamen Kristall der Welle. –

Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel?

Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?

Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein

Die Königin, sie blickt gelassen drein

Und sieht mit stolzem, weiblichem Vergnügen

Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,

Zudringlich-zahm. Er scheint sich zu gewöhnen. –

Auf einmal aber steigt ein Dunst empor

Und deckt mit dichtgewebtem Flor

Die lieblichste von allen Szenen.

MEPHISTOPHELES. Was du nicht alles zu erzählen hast!

So klein du bist, so groß bist du Phantast.

Ich sehe nichts! –

HOMUNCULUS.    Das glaub ich! Du aus Norden,

Im Nebelalter jung geworden,

Im Wust von Rittertum und Pfäfferei,

Wo wäre da ein Auge frei!

Im Düstern bist du nur zu Hause.

Umherschauend.

Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,

Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig! –

Erwacht uns dieser, gibt es neue Not:

Er bleibt gleich auf der Stelle tot.

Waldquellen, Schwäne, nackte Schönen,

Das war sein ahnungsvoller Traum;

Wie wollt er sich hierher gewöhnen!

Ich, der Bequemste, duld es kaum.

Nun fort mit ihm!

MEPHISTOPHELES. Der Ausweg soll mich freuen.

HOMUNCULUS. Befiehl den Krieger in die Schlacht,

Das Mädchen führe du zum Reihen,

So ist gleich alles abgemacht.

Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,

Ist klassische Walpurgisnacht:

Das Beste, was begegnen könnte,

Bringt ihn zu seinem Elemente.

MEPHISTOPHELES. Dergleichen hab ich nie vernommen.

HOMUNCULUS. Wie wollt es auch zu euren Ohren kommen?

Romantische Gespenster kennt ihr nur allein;

Ein echt Gespenst, auch klassisch hats zu sein.

MEPHISTOPHELES. Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?

Mich widern schon antikische Kollegen.

HOMUNCULUS. Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier,

Südöstlich diesmal aber segeln wir:

An großer Fläche fließt Peneios frei,

Umbuscht, umbaumt, in still- und feuchten Buchten;

Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten,

Und oben liegt Pharsalus, alt und neu.

MEPHISTOPHELES. O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite

Von Tyrannei und Sklaverei beiseite!

Mich langeweilts; denn kaum ists abgetan,

So fangen sie von vorne wieder an,

Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt

Vom Asmodeus, der dahintersteckt.

Sie streiten sich, so heißts, um Freiheitsrechte:

Genau besehn, sinds Knechte gegen Knechte.

HOMUNCULUS. Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen!

Ein jeder muß sich wehren, wie er kann,

Vom Knaben auf, so wirds zuletzt ein Mann.

Hier fragt sichs nur, wie dieser kann genesen.

Hast du ein Mittel, so erprob es hier;

Vermagst dus nicht, so überlaß es mir!

MEPHISTOPHELES.

Manch Brockenstückchen wäre durchzuproben;

Doch Heidenriegel find ich vorgeschoben.

Das Griechenvolk, es taugte nie recht viel!

Doch blendets euch mit freiem Sinnenspiel,

Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden;

Die unsern wird man immer düster

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