Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 83)

im Vorüberziehn?

Nicht entfernt von unsern Dünen

Ward der erste Fuß gefaßt:

Zelte, Hütten! – Doch im Grünen

Richtet bald sich ein Palast.

BAUCIS. Tags umsonst die Knechte lärmten,

Hack und Schaufel, Schlag um Schlag;

Wo die Flämmchen nächtig schwärmten,

Stand ein Damm den andern Tag!

Menschenopfer mußten bluten,

Nachts erscholl des Jammers Qual;

Meerab flossen Feuergluten:

Morgens war es ein Kanal!

Gottlos ist er, ihn gelüstet

Unsre Hütte, unser Hain!

Wie er sich als Nachbar brüstet,

Soll man untertänig sein.

PHILEMON. Hat er uns doch angeboten

Schönes Gut im neuen Land!

BAUCIS. Traue nicht dem Wasserboden!

Halt auf deiner Höhe stand!

PHILEMON. Laßt uns zur Kapelle treten,

Letzten Sonnenblick zu schaun!

Laßt uns läuten, knieen, beten

Und dem alten Gott vertraun!

 

Palast

 

Weiter Ziergarten, Großer, gradgeführter Kanal.

Faust, im höchsten Alter wandelnd, nachdenkend.

LYNKEUS DER TÜRMER durchs Sprachrohr.

Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe,

Sie ziehen munter hafenein.

Ein großer Kahn ist im Begriffe,

Auf dem Kanale hier zu sein.

Die bunten Wimpel wehen fröhlich,

Die starren Masten stehn bereit:

In dir preist sich der Bootsmann selig,

Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit.

Das Glöckchen läutet auf der Düne.

FAUST auffahrend.

Verdammtes Läuten! Allzu schändlich

Verwundets, wie ein tückischer Schuß!

Vor Augen ist mein Reich unendlich,

Im Rücken neckt mich der Verdruß,

Erinnert mich durch neidische Laute:

Mein Hochbesitz, er ist nicht rein!

Der Lindenraum, die braune Baute,

Das morsche Kirchlein ist nicht mein.

Und wünscht ich, dort mich zu erholen,

Vor fremdem Schatten schaudert mir,

Ist Dorn den Augen, Dorn den Sohlen –

wär ich weit hinweg von hier!

TÜRMER wie oben. Wie segelt froh der bunte Kahn

Mit frischem Abendwind heran!

Wie türmt sich sein behender Lauf

In Kisten, Kasten, Säcken auf!

Prächtiger Kahn, reich und bunt beladen mit Erzeugnissen

fremder Weltgegenden.

Mephistopheles. Die Drei gewaltigen Gesellen.

CHORUS. Da landen wir,

Da sind wir schon!

Glückan dem Herren,

Dem Patron!

Sie steigen aus, die Güter werden ans Land geschafft.

MEPHISTOPHELES. So haben wir uns wohl erprobt,

Vergnügt, wenn der Patron es lobt.

Nur mit zwei Schiffen ging es fort,

Mit zwanzig sind wir nun im Port.

Was große Dinge wir getan,

Das sieht man unsrer Ladung an.

Das freie Meer befreit den Geist;

Wer weiß da, was Besinnen heißt!

Da fördert nur ein rascher Griff:

Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff,

Und ist man erst der Herr zu drei,

Dann hakelt man das vierte bei;

Da geht es denn dem fünften schlecht,

Man hat Gewalt, so hat man Recht.

Man fragt ums Was und nicht ums Wie!

Ich müßte keine Schiffahrt kennen:

Krieg, Handel und Piraterie,

Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.

DIE DREI GEWALTIGEN GESELLEN.

Nicht Dank und Gruß!

Nicht Gruß und Dank!

Als brächten wir

Dem Herrn Gestank.

Er macht ein

Widerlich Gesicht:

Das Königsgut

Gefällt ihm nicht.

MEPHISTOPHELES.

Erwartet weiter

Keinen Lohn!

Nahmt ihr doch

Euren Teil davon.

DIE GESELLEN.

Das ist nur für

Die Langeweil;

Wir alle fordern

Gleichen Teil.

MEPHISTOPHELES.

Erst ordnet oben,

Saal an Saal,

Die Kostbarkeiten

Allzumal!

Und tritt er zu

Der reichen Schau,

Berechnet er alles

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