Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 84)

genau,

Er sich gewiß

Nicht lumpen läßt

Und gibt der Flotte

Fest nach Fest.

Die bunten Vögel kommen morgen,

Für die werd ich zum besten sorgen.

Die Ladung wird weggeschafft.

MEPHISTOPHELES zu Faust.

Mit ernster Stirn, mit düstrem Blick

Vernimmst du dein erhaben Glück.

Die hohe Weisheit wird gekrönt:

Das Ufer ist dem Meer versöhnt,

Vom Ufer nimmt zu rascher Bahn

Das Meer die Schiffe willig an.

So sprich, daß hier, hier vom Palast

Dein Arm die ganze Welt umfaßt!

Von dieser Stelle ging es aus:

Hier stand das erste Bretterhaus;

Ein Gräbchen ward hinabgeritzt,

Wo jetzt das Ruder emsig spritzt.

Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß

Erwarb des Meers, der Erde Preis.

Von hieraus –

FAUST.           Das verfluchte Hier!

Das eben, leidig lastets mir.

Dir Vielgewandtem muß ichs sagen:

Mir gibts im Herzen Stich um Stich,

Mir ists unmöglich zu ertragen!

Und wie ichs sage, schäm ich mich:

Die Alten droben sollten weichen,

Die Linden wünscht ich mir zum Sitz;

Die wenig Bäume, nicht mein eigen,

Verderben mir den Weltbesitz.

Dort wollt ich, weit umherzuschauen,

Von Ast zu Ast Gerüste bauen,

Dem Blick eröffnen weite Bahn,

Zu sehn, was alles ich getan,

Zu überschaun mit einem Blick

Des Menschengeistes Meisterstück,

Betätigend mit klugem Sinn

Der Völker breiten Wohnbeginn.

So sind am härtsten wir gequält:

Im Reichtum fühlend, was uns fehlt!

Des Glöckchens Klang, der Linden Duft

Umfängt mich wie in Kirch und Gruft.

Des allgewaltigen Willens Kür

Bricht sich an diesem Sande hier.

Wie schaff ich mir es vom Gemüte?

Das Glöcklein läutet, und ich wüte.

MEPHISTOPHELES. Natürlich, daß ein Hauptverdruß

Das Leben dir vergällen muß!

Wer leugnets? Jedem edlen Ohr

Kommt das Geklingel widrig vor,

Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel,

Umnebelnd heitern Abendhimmel,

Mischt sich in jegliches Begebnis

Vom ersten Bad bis zum Begräbnis,

Als wäre zwischen Bim und Baum

Das Leben ein verschollner Traum.

FAUST. Das Widerstehn, der Eigensinn

Verkümmern herrlichsten Gewinn,

Daß man, zu tiefer, grimmiger Pein,

Ermüden muß, gerecht zu sein.

MEPHISTOPHELES. Was willst du dich denn hier genieren?

Mußt du nicht längst kolonisieren?

FAUST. So geht und schafft sie mir zur Seite! –

Das schöne Gütchen kennst du ja,

Das ich den Alten ausersah.

MEPHISTOPHELES. Man trägt sie fort und setzt sie nieder,

Eh man sich umsieht, stehn sie wieder;

Nach überstandener Gewalt

Versöhnt ein schöner Aufenthalt. Er pfeift gellend.

Die Drei treten auf.

MEPHISTOPHELES. Kommt, wie der Herr gebieten läßt!

Und morgen gibts ein Flottenfest.

DIE DREI. Der alte Herr empfing uns schlecht,

Ein flottes Fest ist uns zu Recht.

MEPHISTOPHELES ad spectatores.

Auch hier geschieht, was längst geschah;

Denn Naboths Weinberg war schon da. (Regum I, 21)

 

Tiefe Nacht

 

LYNKEUS DER TÜRMER auf der Schloßwarte singend.

Zum Sehen geboren,

Zum Schauen bestellt,

Dem Turme geschworen,

Gefällt mir die Welt.

Ich blick in die Ferne,

Ich seh in der Näh,

Den Mond und die Sterne,

Den Wald und das Reh.

So seh ich in allen

Die ewige Zier,

Und wie mirs gefallen,

Gefall ich auch mir.

Ihr glücklichen Augen,

Was je ihr gesehn,

Es sei, wie es wolle,

Es war doch so schön!

Pause.

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