Ungekürztes Werk "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 5)

nach langem Durst: da könnt Ihr von Glück sagen!

GÖTZ: Dafür kommt's auch selten.

MARTIN feuriger: Und ist, wenn's kommt, ein Vorschmack des Himmels. – Wenn Ihr zurückkehrt, mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch erinnert: den stach ich vom Pferd, eh er schießen konnte, und den rannt ich samt dem Pferde nieder, und dann reitet Ihr zu Euerm Schloß hinauf, und –

GÖTZ: Was meint Ihr?

MARTIN: Und Eure Weiber! Er schenkt ein. Auf Gesundheit Eurer Frau! Er wischt sich die Augen. Ihr habt doch eine?

GÖTZ: Ein edles, vortreffliches Weib!

MARTIN: Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! des lebt er noch eins so lange. Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schöpfung!

GÖTZ vor sich: Er dauert mich! Das Gefühl seines Standes frißt ihm das Herz.

GEORG gesprungen: Herr! Ich höre Pferde im Galopp! Zwei! Es sind sie gewiß.

GÖTZ: Führ mein Pferd heraus! Hans soll aufsitzen. Lebt wohl, teurer Bruder, Gott geleit Euch! Seid mutig und geduldig. Gott wird Euch Raum geben.

MARTIN: Ich bitt um Euern Namen.

GÖTZ: Verzeiht mir. Lebt wohl! Er reicht ihm die linke Hand.

MARTIN: Warum reicht Ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?

GÖTZ: Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müßtet mit dieser vorliebnehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich: sie ist eins mit ihrem Handschuh; Ihr seht, er ist Eisen.

MARTIN: So seid Ihr Götz von Berlichingen! Ich danke dir, Gott, daß du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fürsten hassen und zu dem die Bedrängten sich wenden. Er nimmt ihm die rechte Hand. Laßt mir diese Hand, laßt mich sie küssen!

GÖTZ: Ihr sollt nicht.

MARTIN: Laßt mich! Du, mehr wert als Reliquienhand, durch die das heiligste Blut geflossen ist, totes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!

Götz setzt den Helm auf und nimmt die Lanze.

MARTIN: Es war ein Mönch bei uns vor Jahr und Tag, der Euch besuchte, wie sie Euch abgeschossen ward vor Landshut. Wie er uns erzählte, was Ihr littet, und wie sehr es Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstümmelt zu sein, und wie Euch einfiel, von einem gehört zu haben, der auch nur eine Hand hatte und als tapferer Reitersmann doch noch lange diente – ich werde das nie vergessen.

Die zwei Knechte kommen.

Götz zu ihnen. Sie reden heimlich.

MARTIN fährt inzwischen fort: Ich werde das nie vergessen, wie er im edelsten, einfältigsten Vertrauen auf Gott sprach: “Und wenn ich zwölf Händ hätte und deine Gnad wollt mir nicht, was würden sie mir fruchten? So kann ich mit einer –”

GÖTZ: In den Haslacher Wald also. Kehrt sich zu Martin: Lebt wohl, werter Bruder Martin. Küßt ihn.

MARTIN: Vergeßt mein nicht, wie ich Euer nicht vergesse.

Götz ab.

MARTIN: Wie mir's so eng ums Herz ward, da ich ihn sah. Er redete nichts, und mein Geist konnte doch den seinigen unterscheiden. Es ist eine Wollust, einen großen Mann zu sehn.

GEORG: Ehrwürd'ger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?

MARTIN: Kann ich ein Bett haben?

GEORG: Nein, Herr! ich kenne Betten nur vom Hörensagen, in

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