Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 86)

letztere seid getrost!« erwiderte der Jäger. »Ich glaube nicht, daß bei der Gräfin Euer Schmuck verlorengehen kann; und wenn auch, so wird sie ihn sicherlich ihrem Retter wiedererstatten und ein Zeugnis über diese Vorfälle ausstellen. – Wir verlassen Euch jetzt auf einige Stunden; denn wahrhaftig, wir brauchen Schlaf, und nach den Anstrengungen dieser Nacht werdet Ihr ihn auch nötig haben. Nachher laßt uns im Gespräch unser Unglück auf Augenblicke vergessen oder – besser noch – auf unsere Flucht denken.«

Sie gingen; Felix blieb allein zurück und versuchte dem Rat des Jägers zu folgen.

Als nach einigen Stunden der Jäger mit dem Studenten zurückkam, fand er seinen jungen Freund gestärkter und munterer als zuvor. Er erzählte dem Goldschmied, daß ihm der Hauptmann alle Sorgfalt für die Dame empfohlen habe, und in wenigen Minuten werde eins der Weiber, die sie unter den Hütten gesehen hatten, der gnädigen Gräfin Kaffee bringen und ihre Dienste zur Aufwartung anbieten.

Sie beschlossen, um ungestört zu sein, diese Gefälligkeit nicht anzunehmen, und als das alte Zigeunerweib kam, das Frühstück vorsetzte und mit grinsender Freundlichkeit fragte, ob sie nicht sonst noch zu Diensten sein könnte, winkte ihr Felix zu gehen, und als sie noch zauderte, scheuchte sie der Jäger aus der Hütte.

Der Student erzählte dann weiter, was sie sonst noch von dem Lager der Räuber gesehen. »Die Hütte, die Ihr bewohnt, schönste Gräfin«, sprach er, »scheint ursprünglich für den Hauptmann bestimmt. Sie ist nicht so geräumig, aber schöner als die übrigen. Außer dieser sind noch sechs andere da, in welchen die Weiber und die Kinder wohnen, denn von den Räubern sind selten mehr als sechs zu Hause. Einer steht nicht weit von dieser Hütte Wache, der andere unten am Weg, in der Höhle, und ein dritter hat den Lauerposten oben am Eingang in die Schlucht. Von zwei Stunden zu zwei Stunden werden sie von den drei übrigen abgelöst. Jeder hat überdies zwei große Hunde neben sich liegen, und sie alle sind so wachsam, daß man keinen Fuß aus der Hütte setzen kann, ohne daß sie anschlagen. Ich habe keine Hoffnung, daß wir uns durchstehlen können.«

»Macht mich nicht traurig; ich bin nach dem Schlummer mutiger geworden«, entgegnete Felix. »Gebt nicht alle Hoffnung auf; und fürchtet ihr Verrat, so laßt uns lieber jetzt von etwas anderem reden und nicht lange voraus schon kummervoll sein. Herr Student, in der Schenke habt Ihr angefangen, etwas zu erzählen; fahrt jetzt fort, denn wir haben Zeit zum Plaudern.«

»Kann ich mich doch kaum erinnern, was es war«, antwortete der junge Mann.

»Ihr erzähltet die Sage von dem kalten Herzen und seid stehengeblieben, wie der Wirt und der andere Spieler den Kohlenpeter aus der Tür warfen.«

»Gut, jetzt entsinne ich mich wieder«, entgegnete er. »Nun, wenn ihr weiter hören wollt, will ich fortfahren.«

Das kalte Herz

 

Zweite Abteilung

Als Peter am Montagmorgen in seine Glashütte ging, da waren nicht nur seine Arbeiter da, sondern auch andere Leute, die man nicht gerne sieht, nämlich der Amtmann und drei Gerichtsdiener. Der Amtmann wünschte Peter einen guten Morgen, fragte, wie er geschlafen, und

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