Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 85)

und flüsterte ihm zu: »Sei um Gottes willen stille, lieber Junge; glaubst du denn nicht, daß man uns behorcht?«

»Aus jedem Wort, aus dem Ton deiner Sprache könnten sie Verdacht schöpfen«, setzte der Student hinzu.

Dem armen Felix blieb nichts übrig, als still zu weinen. »Glaubt mir, Herr Jäger«, sagte er, »ich weine nicht aus Angst vor diesen Räubern oder aus Furcht vor dieser elenden Hütte – nein, es ist ein ganz anderer Kummer, der mich drückt! Wie leicht kann die Gräfin vergessen, was ich ihr schnell noch sagte, und dann hält man mich für einen Dieb, und ich bin elend auf immer!«

»Aber was ist es denn, was dich so ängstigt?« fragte der Jäger, verwundert über das Benehmen des jungen Menschen, der sich bisher so mutig und stark betragen hatte.

»Hört zu, und ihr werdet mir recht geben«, antwortete Felix. »Mein Vater war ein geschickter Goldarbeiter in Nürnberg, und meine Mutter hatte früher bei einer vornehmen Frau gedient als Kammerfrau, und als sie meinen Vater heiratete, wurde sie von der Gräfin, welcher sie gedient hatte, trefflich ausgestattet. Diese blieb meinen Eltern immer gewogen, und als ich auf die Welt kam, wurde sie meine Patin und beschenkte mich reichlich. Aber als meine Eltern bald nacheinander an einer Seuche starben und ich ganz allein und verlassen in der Welt stand und ins Waisenhaus gebracht werden sollte, da vernahm die Frau Patin unser Unglück, nahm sich meiner an und gab mich in ein Erziehungshaus, und als ich alt genug war, schrieb sie mir, ob ich nicht des Vaters Gewerbe lernen wollte.

Ich war froh darüber und sagte zu, und so gab sie mich einem Meister in Würzburg in die Lehre. Ich hatte Geschick zur Arbeit und brachte es bald so weit, daß mir der Lehrbrief ausgestellt wurde und ich mich auf die Wanderschaft rüsten konnte. Dies schrieb ich der Frau Patin, und flugs antwortete sie, daß sie das Geld zur Wanderschaft gebe. Dabei schickte sie prachtvolle Steine mit und verlangte, ich solle sie fassen zu einem schönen Geschmeide; ich solle dann solches als Probe meiner Geschicklichkeit selbst überbringen und das Reisegeld in Empfang nehmen.

Meine Frau Patin habe ich in meinem Leben nicht gesehen, und ihr könnt euch denken, wie ich mich auf sie freute. Tag und Nacht arbeitete ich an dem Schmuck; er wurde so schön und zierlich, daß selbst der Meister darüber erstaunte. Als er fertig war, packte ich alles sorgfältig auf den Boden meines Ränzels, nahm Abschied vom Meister und wanderte meine Straße nach dem Schloß der Frau Patin.

Da kamen«, fuhr er in Tränen ausbrechend fort, »diese schändlichen Menschen und zerstörten all meine Hoffnung; denn wenn Eure Frau Gräfin den Schmuck verliert oder vergißt, was ich ihr sagte, und das schlechte Ränzchen wegwirft, wie soll ich dann vor meine gnädige Frau Patin treten? Womit soll ich mich ausweisen? Woher die Steine ersetzen? Und das Reisegeld ist dann auch verloren, und ich erscheine als undankbarer Mensch, der anvertrautes Gut leichtsinnig weggegeben. Und am Ende – wird man mir glauben, wenn ich den wunderbaren Vorfall erzähle?«

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