Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 32)
den Strich kennen von jeglichem Metall, sei es echt oder unecht.
Der Baumgang, in dem ich spazierte, war sieben Fuß weit, und hie und da sah ich den Staub von den Palmen gestreift. Der Gaul hat mit dem Schweif gefochten, dachte ich, und er ist lang dreiundeinhalb Fuß. Unter Bäumen, deren Krone etwa fünf Fuß vom Boden anfing, sah ich frisch abgestreifte Blätter – seiner Schnelligkeit Rücken mußte sie abgestreift haben –; da haben wir ein Pferd von fünfzehn Fäusten. Siehe da – unter denselben Bäumen kleine Büschel goldglänzender Haare, und siehe da – es ist ein Goldfuchs!
Eben trat ich aus dem Gebüsche, da fiel an einer Felswand ein Goldstrich in mein Auge. Diesen Strich solltest du kennen, dachte ich; und was war's? Ein Probierstein war eingesprengt in dem Gestein, und ein haarfeiner Goldstrich darauf, wie ihn das Männchen mit dem Pfeilbündel auf den Füchsen der sieben vereinten Provinzen von Holland nicht feiner, nicht reiner ziehen kann. Der Strich muß von den Gebißstangen des flüchtigen Rosses rühren, die es im Vorbeispringen gegen dieses Gestein gerieben; kennt man ja doch deine erhabene Prachtliebe, König der Könige, weiß man ja doch, daß sich das geringste deiner Rosse schämen würde, auf einen andern als einen goldenen Zaum zu beißen. Also hat es sich begeben, und wenn –«
»Nun, bei Mekka und Medina«, rief Muley Ismael, »das heiße ich Augen! Solche Augen könnten dir nicht schaden, Oberjägermeister; sie würden dir eine Koppel Schweißhunde ersparen; du, Polizeiminister, könntest damit weiter sehen als alle deine Schergen und Aufpasser. Nun, Philister, wir wollen dich in Betracht deines ungemeinen Scharfsinns, der uns wohl gefallen hat, gnädig behandeln: Die fünfzig Prügel, die du richtig erhalten hast, sind fünfzig Zechinen wert; sie ersparen dir fünfzig, denn du zahlst jetzt bloß noch fünfzig bar. Zieh deinen Beutel, und enthalte dich für die Zukunft, unseres kaiserlichen Eigentums zu spotten; wir bleiben dir übrigens in Gnaden gewogen.«
Der ganze Hof bewunderte Abners Scharfsinn, denn Seine Majestät hatte geschworen, er sei ein geschickter Bursche; aber dies bezahlte ihm seine Schmerzen nicht, tröstete ihn nicht für seine teuren Zechinen. Während er stöhnend und seufzend eine nach der andern aus dem Beutel führte, jede noch zum Abschiede auf der Fingerspitze wog, höhnte ihn noch Schnuri, der kaiserliche Spaßmacher, fragte ihn, ob seine Zechinen alle auf dem Steine sich bewährten, auf dem der Goldfuchs des Prinzen Abdallah sein Gebiß probiert habe. »Deine Weisheit hat heute Ruhm geerntet«, sprach er; »ich wollte aber noch fünfzig Zechinen wetten, es wäre dir lieber, du hättest geschwiegen. Aber wie spricht der Prophet? ›Ein entschlüpftes Wort holt kein Wagen ein, und wenn er mit vier flüchtigen Rossen bespannt wäre.‹ Auch kein Windspiel holt es ein, Herr Abner, auch wenn es nicht hinkt.«
Nicht lange nach diesem für Abner schmerzlichen Ereignis ging er wieder einmal in einem der grünen Täler zwischen den Vorbergen des Atlas spazieren. Da wurde er, gerade wie damals, von einem einherstürmenden Haufe Bewaffneter eingeholt, und der Anführer schrie ihn an: »He, guter Freund, hast du nicht Goro, den schwarzen Leibschützen des Kaisers, vorbeilaufen