Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 55)

Es ging ihm dort im ganzen gut, denn einer der Feldherren ließ ihn in sein Zelt kommen und hatte seine Freude an den Antworten des Knaben, die ihm ein Dragoman übersetzen mußte; er sorgte für ihn, daß ihm an Speise und Kleidung nichts abginge; aber die Sehnsucht nach Vater und Mutter machte dennoch den Knaben höchst unglücklich. Er weinte viele Tage lang, aber seine Tränen rührten diese Männer nicht.

Das Lager wurde abgebrochen, und Almansor glaubte jetzt wieder zurückkehren zu dürfen; aber es war nicht so. Das Heer zog hin und her, führte Krieg mit den Mamelucken, und den jungen Almansor schleppten sie immer mit sich. Wenn er dann die Hauptleute und Feldherren anflehte, ihn doch wieder heimkehren zu lassen, so verweigerten sie es und sagten, er müsse ein Unterpfand von seines Vaters Treue sein. So war er viele Tage lang auf dem Marsch.

Auf einmal aber entstand eine Bewegung im Heer, die dem Knaben nicht entging; man sprach von Einpacken, von Zurückziehen, vom Einschiffen, und Almansor war außer sich vor Freude; denn jetzt, wenn die Franken in ihr Land zurückkehrten, jetzt mußte er ja frei werden. Man zog mit Roß und Wagen rückwärts gegen die Küste, und endlich war man so weit, daß man die Schiffe vor Anker liegen sah. Die Soldaten schifften sich ein; aber es wurde Nacht, bis nur ein kleiner Teil eingeschifft war.

So gerne Almansor gewacht hätte, weil er jede Stunde glaubte, freigelassen zu werden, so verfiel er doch endlich in einen tiefen Schlaf, und er glaubte, die Franken hätten ihm etwas unter das Wasser gemischt, um ihn einzuschläfern, denn als er aufwachte, schien der helle Tag in eine kleine Kammer, worin er nicht gewesen war, als er einschlief. Er sprang auf von seinem Lager, aber als er auf den Boden kam, fiel er um, denn der Boden schwankte hin und wider, und es schien sich alles zu bewegen und im Kreis um ihn her zu tanzen. Er raffte sich wieder auf, hielt sich an den Wänden fest, um aus dem Gemach zu kommen, worin er sich befand.

Ein sonderbares Brausen und Zischen war um ihn her; er wußte nicht, ob er träume oder wache, denn er hatte nie Ähnliches gesehen oder gehört. Endlich erreichte er eine kleine Treppe; mit Mühe stieg er hinauf – und welcher Schrecken befiel ihn! Ringsumher war nichts als Himmel und Meer; er befand sich auf einem Schiffe! Da fing er kläglich an zu weinen. Er wollte zurückgebracht werden, er wollte sich ins Meer stürzen und hinüberschwimmen nach seiner Heimat; aber die Franken hielten ihn fest, und einer der Befehlshaber ließ ihn zu sich kommen, versprach ihm, wenn er gehorsam sei, dürfe er bald wieder in seine Heimat zurück, und stellte ihm vor, daß es nicht mehr möglich gewesen wäre, ihn vom Lande aus nach Hause zu bringen; dort aber hätte er, wenn man ihn zurückgelassen, elendiglich umkommen müssen.

Wer aber nicht Wort hielt, waren die Franken; denn das Schiff segelte viele Tage lang weiter, und als es endlich landete, war man nicht an Ägyptens

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