Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 56)

Küste, sondern in Frankistan! Almansor hatte während der langen Fahrt und schon im Lager einiges von der Sprache der Franken verstehen und sprechen gelernt, was ihm in diesem Lande, wo niemand seine Sprache kannte, sehr gut zustatten kam.

Er wurde viele Tage lang durch das Land in das Innere geführt, und überall strömte das Volk zusammen, um ihn zu sehen, denn seine Begleiter sagten aus, er wäre der Sohn des Königs von Ägypten, der ihn zu seiner Ausbildung nach Frankistan schicke. So sagten aber diese Soldaten nur, um das Volk glauben zu machen, sie hätten Ägypten besiegt und ständen in tiefem Frieden mit diesem Land.

Nachdem die Reise zu Land mehrere Tage gedauert hatte, kamen sie in eine große Stadt, dem Ziel ihrer Reise. Dort wurde er einem Arzt übergeben, der ihn in sein Haus nahm und in allen Sitten und Gebräuchen unterwies.

Er mußte vor allem fränkische Kleider anlegen, die sehr eng und knapp waren und bei weitem nicht so schön wie seine ägyptischen. Dann durfte er nicht mehr seine Verbeugung mit gekreuzten Armen machen, sondern, wollte er jemand seine Ehrerbietung bezeigen, so mußte er mit der einen Hand die ungeheure Mütze von schwarzem Filz, die alle Männer trugen und die man auch ihm aufgesetzt hatte, vom Kopfe reißen, und mit der andern Hand mußte er auf die Seite fahren und mit dem rechten Fuße auskratzen. Er durfte auch nicht mehr mit übergeschlagenen Beinen sitzen, wie es angenehme Sitte ist im Morgenland, sondern auf hochbeinige Stühle mußte er sich setzen und die Füße herabhängen lassen auf den Boden. Das Essen machte ihm auch nicht geringe Schwierigkeit, denn alles, was er zum Mund bringen wollte, mußte er zuvor auf eine Gabel von Eisen stecken.

Der Doktor aber war ein strenger, böser Mann, der den Knaben plagte; denn wenn er sich jemals vergaß und zu einem Besuch sagte »Salem aleikum«, so schlug er ihn mit dem Stock, denn er sollte sagen »Votre serviteur«. Er durfte auch nicht mehr in seiner Sprache denken und sprechen oder schreiben – höchstens durfte er darin träumen –, und er hätte vielleicht seine Sprache gänzlich verlernt, wenn nicht ein Mann in jener Stadt gelebt hätte, der ihm von großem Nutzen war.

Es war dies ein alter, aber sehr gelehrter Mann, der viele morgenländische Sprachen verstand: Arabisch, Persisch, Koptisch, sogar Chinesisch, von jedem etwas; er galt in jenem Land für ein Wunder von Gelehrsamkeit, und man gab ihm viel Geld, daß er diese Sprachen andere Leute lehrte. Dieser Mann ließ nun den jungen Almansor alle Wochen einige Male zu sich kommen, bewirtete ihn mit seltenen Früchten und dergleichen, und dem Jüngling war es dann, als wäre er zu Hause, denn der alte Herr war ein gar sonderbarer Mann. Er hatte Almansor Kleider machen lassen, wie sie vornehme Leute in Ägypten tragen; diese Kleider bewahrte er in seinem Hause in einem besonderen Zimmer auf. Kam nun Almansor, so schickte er ihn mit einem Bedienten in jenes Zimmer und ließ ihn ganz nach seiner Landessitte ankleiden. Von da an ging es dann nach »Kleinarabien«;

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