Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 53)

jungen Leute, und sein Blick wurde ernst und düster. »Ich hatte einst auch einen lieben Sohn«, sagte er, »und er müßte nun auch so herangewachsen sein wie ihr. Da solltet ihr seine Genossen und Begleiter sein, und jeder eurer Wünsche würde von selbst befriedigt werden. Mit jenem würde er lesen, mit diesem Musik hören, mit dem andern würde er gute Freunde einladen und fröhlich und guter Dinge sein, und mit dem Maler ließe ich ihn ausziehen in schöne Gegenden und wäre dann gewiß, daß er immer wieder zu mir zurückkehrte. So hat es aber Allah nicht gewollt, und ich füge mich in seinen Willen ohne Murren. Doch es steht in meiner Macht, eure Wünsche dennoch zu erfüllen, und ihr sollt freudigen Herzens von Ali Banu gehen.

Ihr, mein gelehrter Freund«, fuhr er fort, indem er sich zu dem Schreiber wandte, »wohnt von jetzt an in meinem Hause und seid über meine Bücher gesetzt. Ihr könnt noch dazu anschaffen, was ihr wollt und für gut haltet, und Euer einziges Geschäft sei, mir, wenn Ihr etwas recht Schönes gelesen habt, zu erzählen.

Ihr, der Ihr eine gute Tafel unter Freunden liebt, Ihr sollt der Aufseher meiner Vergnügungen sein. Ich selbst zwar lebe einsam und ohne Freude, aber es ist meine Pflicht, und mein Amt bringt es mit sich, hie und da viele Gäste einzuladen. Dort sollt Ihr an meiner Stelle alles besorgen und könnt von Euren Freunden dazu einladen, wen Ihr nur wollt; versteht sich, auf etwas Besseres als Wassermelonen.

Den jungen Kaufmann da darf ich freilich seinem Geschäft nicht entziehen, das ihm Geld und Ehre bringt; aber alle Abende stehen Euch, mein junger Freund, Tänzer, Sänger und Musikanten zu Dienste, soviel Ihr wollt. Laßt Euch aufspielen und tanzen nach Herzenslust.

Und Ihr«, sprach er zu dem Maler, »Ihr sollt fremde Länder sehen und das Auge durch Erfahrung schärfen. Mein Schatzmeister wird Euch zu der ersten Reise, die Ihr morgen antreten könnt, tausend Goldstücke reichen nebst zwei Pferden und einem Sklaven. Reist, wohin Euch das Herz treibt, und wenn Ihr etwas Schönes seht, so malt es für mich.«

Die jungen Leute waren außer sich vor Erstaunen, sprachlos vor Freude und Dank. Sie wollten den Boden vor den Füßen des gütigen Mannes küssen, aber er ließ es nicht zu. »Wenn ihr einem zu danken habt«, sprach er, »so ist es diesem weisen Mann hier, der mir von euch erzählte. Auch mir hat er dadurch Vergnügen gemacht, vier so muntere junge Leute von eurer Art kennenzulernen.«

Der Derwisch Mustafa aber wehrte den Dank der Jünglinge ab. »Seht«, sprach er, »wie man nie voreilig urteilen muß; habe ich euch zuviel von diesem edlen Mann gesagt?«

»Laßt uns nun noch einen der Sklaven, die heute frei sind, erzählen hören«, unterbrach ihn Ali Banu, und die Jünglinge begaben sich an ihre Plätze.

Jener junge Sklave, der die Aufmerksamkeit aller durch seinen Wuchs, durch seine Schönheit und seinen mutigen Blick in so hohem Grade auf sich gezogen hatte, stand jetzt auf, verbeugte sich vor dem Scheich und fing mit wohltönender Stimme zu sprechen an.

Die Geschichte

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