Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 52)

nicht früher mit euch bekannt machte. Wer von euch ist denn der junge Schreiber?«

»Ich, o Herr, und zu Euren Diensten!« sprach der junge Schreiber, indem er die Arme über der Brust kreuzte und sich tief verbeugte.

»Ihr hört also sehr gerne Geschichten und leset gerne Bücher mit schönen Versen und Denksprüchen?«

Der junge Mensch errötete und antwortete: »O Herr, allerdings kenne ich für meinen Teil keine angenehmere Beschäftigung, als mit dergleichen den Tag zuzubringen. Es bildet den Geist und vertreibt die Zeit. Aber jeder nach seiner Weise; ich tadle darum gewiß keinen, der nicht –«

»Schon gut, schon gut«, unterbrach ihn der Scheich lachend und winkte den zweiten herbei. »Wer bist denn du?« fragte er ihn.

»Herr, ich bin meines Amtes der Gehilfe eines Arztes und habe selbst schon einige Kranke geheilt.«

»Richtig«, erwiderte der Scheich; »und Ihr seid es auch, der das Wohlleben liebt; Ihr möchtet gerne mit guten Freunden hie und da tafeln und guter Dinge sein? Nicht wahr, ich habe es erraten?« Der junge Mann war beschämt; er fühlte, daß er verraten war und daß der Alte auch von ihm gebeichtet haben mußte. Er faßte sich aber ein Herz und antwortete: »O ja, Herr, ich rechne es unter des Lebens Glückseligkeiten, hie und da mit guten Freunden fröhlich sein zu können. Mein Beutel reicht nun zwar nicht weiter hin, als meine Freunde mit Wassermelonen oder dergleichen wohlfeilen Sachen zu bewirten, doch sind wir auch dabei fröhlich, und es läßt sich denken, daß wir es noch um ein gutes Teil mehr wären, wenn ich mehr Geld hätte.«

Dem Scheich gefiel diese beherzte Antwort, und er konnte sich nicht enthalten, darüber zu lachen. »Welcher ist denn der junge Kaufmann?« fragte er weiter.

Der junge Kaufmann verbeugte sich mit freiem Anstand vor dem Scheich, denn er war ein Mensch von guter Erziehung; der Scheich aber sprach: »Und Ihr? Ihr habt Freude an Musik und Tanz? Ihr hört es gerne, wenn gute Künstler etwas spielen und singen, und seht gerne Tänzer kunstvolle Tänze ausführen?«

Der junge Kaufmann antwortete: »Ich sehe wohl, o Herr, daß jener alte Mann, um Euch zu belustigen, unsere Torheiten insgesamt verraten hat. Wenn es ihm gelang, Euch dadurch aufzuheitern, so habe ich gerne zu Eurem Scherz gedient. Was aber Musik und Tanz betrifft, so gestehe ich, es gibt nicht leicht etwas, was mein Herz also vergnügt. Doch glaubt nicht, daß ich deswegen euch tadle, o Herr, wenn Ihr nicht ebenfalls –«

»Genug; nicht weiter!« rief der Scheich, lächelnd mit der Hand abwehrend. »Jeder nach seiner Weise, wollt Ihr sagen. Aber dort steht ja noch einer; das ist wohl der, welcher so gerne reisen möchte? Wer seid denn Ihr, junger Herr?«

»Ich bin ein Maler, o Herr«, antwortete der junge Mann; »ich male Landschaften teils an die Wände der Säle, teils auf Leinwand. Fremde Länder zu sehen ist allerdings mein Wunsch, denn man sieht dort allerlei schöne Gegenden, die man wieder anbringen kann; und was man sieht und abzeichnet, ist doch in der Regel immer schöner, als was man nur so selbst erfindet.«

Der Scheich betrachtete jetzt die schönen

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