Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 51)
zurück, und der Schreiber fragte ihn: »Beim Bart des Propheten beschwöre ich dich, sage uns, wer ist dieser alte Mann, mit dem wir sprachen und den der Scheich also ehrt?«
»Wie?« rief der Aufseher der Sklaven und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen. »Diesen Mann kennt ihr nicht?«
»Nein, wir wissen nicht, wer er ist.«
»Aber ich sah euch doch schon einige Male mit ihm auf der Straße sprechen, und mein Herr, der Scheich, hat dies auch bemerkt und erst letzthin gesagt: ›Das müssen wackere junge Leute sein, die dieser Mann eines Gespräches würdigt.‹«
»Aber so sage doch, wer er ist!« rief der junge Kaufmann in höchster Ungeduld.
»Geht, ihr wollt mich nur zum Narren haben«, antwortete der Sklavenaufseher. »In diesen Saal kommt sonst niemand, der nicht ausdrücklich eingeladen ist, und heute ließ der Alte dem Scheich sagen, er werde einige junge Männer in seinen Saal mitbringen, wenn es ihm nicht ungelegen sei, und Ali Banu ließ ihm sagen, er habe über sein Haus zu gebieten!«
»Lasse uns nicht länger in Ungewißheit. So wahr ich lebe, ich weiß nicht, wer dieser Mann ist; wir lernten ihn zufällig kennen und sprachen mit ihm.«
»Nun, dann dürft ihr euch glücklich preisen, denn ihr habt mit einem gelehrten, berühmten Manne gesprochen, und alle Anwesenden ehren und bewundern euch deshalb. Es ist niemand anders als Mustafa, der gelehrte Derwisch.«
»Mustafa? Der weise Mustafa, der den Sohn des Scheichs erzogen hat, der viele gelehrte Bücher schrieb der große Reisen machte in alle Weltteile? Mit Mustafa haben wir gesprochen? Und gesprochen, als wär er unsereiner, so ganz ohne alle Ehrerbietung?«
Noch waren die jungen Männer im Gespräch über diese Märchen und über den Alten, den Derwisch Mustafa. Sie fühlten sich nicht wenig geehrt, daß ein so alter und berühmter Mann sie seiner Aufmerksamkeit gewürdigt und sogar öfter mit ihnen gesprochen und gestritten hatte. Da kam plötzlich der Aufseher der Sklaven zu ihnen und lud sie ein, ihm zum Scheich zu folgen, der sie sprechen wolle.
Den Jünglingen pochte das Herz. Noch nie hatten sie mit einem so vornehmen Mann gesprochenn nicht einmal allein, viel weniger in so großer Gesellschaft. Doch sie faßten sich, um nicht als Toren zu erscheinen, und folgten dem Aufseher der Sklaven zum Scheich.
Ali Banu saß auf einem reichen Polster und nahm Sorbett zu sich. Zu seiner Rechten saß der Alte; sein dürftiges Kleid ruhte auf herrlichen Polstern, seine ärmlichen Sandalen hatte er auf einen reichen Teppich von persischer Arbeit gestellt, aber sein schöner Kopf, seine Augen voll Würde und Weisheit zeigten an, daß er würdig sei, neben einem Manne wie dem Scheich zu sitzen.
Der Scheich war sehr ernst, und der Alte schien ihm Trost und Mut zuzusprechen. Die Jünglinge glaubten auch, in ihrer Berufung vor das Angesicht des Scheichs eine List des Alten zu entdecken, der wahrscheinlich den trauernden Vater durch ein Gespräch mit ihnen zerstreuen wollte.
»Willkommen, ihr jungen Männer«, sprach der Scheich; »willkommen in dem Hause Ali Banus. Mein alter Freund hier hat sich meinen Dank verdient, daß er euch hier einführte; doch zürne ich ihm ein wenig, daß er mich