Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 59)

du mir versprechen, weder dem Doktor noch dem arabischen Professor etwas davon zu sagen.«

»Wer ist denn der arabische Professor?« fragte jener.

»Ach, das ist ein sonderbarer Mann; doch von diesem erzähle ich dir ein andermal. Wenn es die beiden hörten, dürfte ich nicht mehr aus Frankistan weg. Aber willst du für mich sprechen bei den Agas? Sage es mir aufrichtig!«

»Komm mit mir«, sagte der Mann; »vielleicht kann ich dir jetzt gleich nützlich sein.«

»Jetzt?« rief der Jüngling mit Schrecken. »Jetzt um keinen Preis; da würde mich der Doktor prügeln. Ich muß eilen, daß ich nach Hause komme!«

»Was trägst du denn in diesem Korb?« fragte jener, indem er ihn zurückhielt.

Almansor errötete und wollte es anfangs nicht zeigen; endlich aber sagte er: »Siehe, Petit-Caporal, ich muß hier Dienste tun wie der geringste Sklave meines Vaters. Der Doktor ist ein geiziger Mann und schickt mich alle Tage von unserem Hause eine Stunde weit auf den Gemüse- und Fischmarkt; da muß ich dann unter den schmutzigen Marktweibern einkaufen, weil es dort um einige Kupfermünzen wohlfeiler ist als in unserem Stadtteil. Siehe, wegen dieses schlechten Herings, wegen dieser Handvoll Salat, wegen dieses Stückchens Butter muß ich alle Tage zwei Stunden gehen. Ach, wenn es mein Vater wüßte!«

Der Mann, zu welchem Almansor dies sprach, war gerührt über die Not des Knaben und antwortete: »Komm nur mit mir und sei getrost; der Doktor soll dir nichts anhaben dürfen, wenn er auch heute weder Hering noch Salat verspeist. Sei getrosten Mutes!«

Er nahm bei diesen Worten Almansor bei der Hand und führte ihn mit sich; und obgleich diesem das Herz pochte, wenn er an den Doktor dachte, so lag doch so viel Zuversicht in den Worten und Mienen des Mannes, daß er sich entschloß, ihm zu folgen. Er ging also, sein Körbchen am Arm, neben dem Soldaten viele Straßen durch, und wunderbar wollte es ihm bedünken, daß alle Leute die Hüte vor ihnen abnahmen und stehenblieben und ihnen nachschauten. Er äußerte dies auch gegen seinen Begleiter; dieser aber lachte und sagte nichts darüber.

Sie gelangten endlich an ein prachtvolles Schloß, auf welches der Mann zuging. »Wohnst du hier, Petit-Caporal?« fragte Almansor.

»Hier ist meine Wohnung«, entgegnete jener, »und ich will dich zu meiner Frau führen.«

»Ei, da wohnst du schön!« fuhr Almansor fort. »Gewiß hat dir der Sultan hier freie Wohnung gegeben?«

»Diese Wohnung habe ich vom Kaiser; du hast recht«, antwortete sein Begleiter und führte ihn in das Schloß.

Dort stiegen sie eine breite Treppe hinan, und in einem schönen Saal hieß er ihn seinen Korb absetzen und trat dann mit ihm in ein prachtvolles Gemach, wo eine Frau auf einem Diwan saß. Der Mann sprach mit ihr in einer fremden Sprache, worauf sie beide nicht wenig lachten, und die Frau fragte dann Almansor in fränkischer Sprache vieles über Ägypten.

Endlich sagte Petit-Caporal zu dem Jüngling: »Weißt du, was das Beste ist? Ich will dich gleich selbst zum Kaiser führen und bei ihm für dich sprechen.«

Almansor erschrak sehr, aber er dachte an sein Elend und seine Heimat: »Dem Unglücklichen«, sprach er zu den beiden, »dem Unglücklichen

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