Ungekürztes Werk "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" von Heinrich Heine (Seite 28)

Caput XXVI

Und die Mumma? Ach, die Mumma

Ist ein Weib! Gebrechlichkeit

Ist ihr Name! Ach, die Weiber

Sind wie Porzellan gebrechlich.

Als des Schicksals Hand sie trennte

Von dem glorreich edlen Gatten,

Starb sie nicht des Kummertodes,

Ging sie nicht in Trübsinn unter –

Nein, im Gegenteil, sie setzte

Lustig fort ihr Leben, tanzte

Nach wie vor, beim Publiko

Buhlend um den Tagesbeifall.

Eine feste Stellung, eine

Lebenslängliche Versorgung,

Hat sie endlich zu Paris

Im Jardin-des-Plantes gefunden.

Als ich dorten vorgen Sonntag

Mich erging mit Julietten,

Und ihr die Natur erklärte,

Die Gewächse und die Bestien,

Die Giraffe und die Zeder

Von dem Libanon, das große

Dromedar, die Goldfasanen,

Auch das Zebra – im Gespräche

Blieben wir am Ende stehen

An der Brüstung jener Grube,

Wo die Bären residieren –

Heilger Herr, was sahn wir dort!

Ein gewaltger Wüstenbär

Aus Sibirien, schneeweißhaarigt,

Spielte dort ein überzartes

Liebesspiel mit einer Bärin.

Diese aber war die Mumma!

War die Gattin Atta Trolls!

Ich erkannte sie am zärtlich

Feuchten Glanze ihres Auges.

Ja, sie war es! Sie, des Südens

Schwarze Tochter! Sie, die Mumma,

Lebt mit einem Russen jetzt,

Einem nordischen Barbaren!

Schmunzelnd sprach zu mir ein Neger,

Der zu uns herangetreten:

»Gibt es wohl ein schönres Schauspiel

Als zwei Liebende zu sehen?«

Ich entgegnete: Mit wem

Hab ich hier die Ehr zu sprechen?

Jener aber rief verwundert:

»Kennen Sie mich gar nicht wieder?

Ich bin ja der Mohrenfürst,

Der bei Freiligrath getrommelt.

Damals gings mir schlecht, in Deutschland

Fand ich mich sehr isoliert.

Aber hier, wo ich als Wärter

Angestellt, wo ich die Pflanzen

Meines Tropenvaterlandes

Und auch Löw und Tiger finde:

Hier ist mir gemütlich wohler,

Als bei Euch auf deutschen Messen,

Wo ich täglich trommeln mußte

Und so schlecht gefüttert wurde!

Hab mich jüngst vermählt mit einer

Blonden Köchin aus dem Elsaß.

Ganz und gar in ihren Armen

Wird mir heimatlich zu Mute!

Ihre Füße mahnen mich

An die holden Elefanten.

Wenn sie spricht französisch, klingt mirs

Wie die schwarze Muttersprache.

Manchmal keift sie, und ich denke

An das Rasseln jener Trommel,

Die mit Schädeln war behangen;

Schlang und Leu entflohn davor.

Doch im Mondschein, sehr empfindsam

Weint sie wie ein Krokodil,

Das aus lauem Strom hervorblickt,

Um die Kühle zu genießen.

Und sie gibt mir gute Bissen!

Ich gedeih! Mit meinem alten,

Afrikanischen Apptit,

Wie am Niger, freß ich wieder!

Hab mir schon ein rundes Bäuchlein

Angemästet. Aus dem Hemde

Schauts hervor, wie’n schwarzer Mond,

Der aus weißen Wolken tritt.«

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