Ungekürztes Werk "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" von Heinrich Heine (Seite 27)

Caput XXV

Dreiunddreißig alte Weiber,

Auf dem Haupt die scharlachrote

Altbaskesische Kapuze,

Standen an des Dorfes Eingang.

Eine drunter, wie Debora,

Schlug das Tamburin und tanzte,

Und sie sang dabei ein Loblied

Auf Laskaro Bärentöter.

Vier gewaltge Männer trugen

Im Triumph den toten Bären;

Aufrecht saß er in dem Sessel,

Wie ein kranker Badegast.

Hinterdrein, wie Anverwandte

Des Verstorbnen, ging Laskaro

Mit Uraka; diese grüßte

Rechts und links, doch sehr verlegen.

Der Adjunkt des Maires hielt

Eine Rede vor dem Rathaus,

Als der Zug dorthin gelangte,

Und er sprach von vielen Dingen –

Wie zum Beispiel von dem Aufschwung

Der Marine, von der Presse,

Von der Runkelrübenfrage,

Von der Hyder der Parteisucht.

Die Verdienste Ludwig Philipps

Reichlich auseinandersetzend,

Ging er über zu dem Bären

Und der Großtat des Laskaro.

»Du, Laskaro!« – rief der Redner,

Und er wischte sich den Schweiß ab

Mit der trikoloren Schärpe –

»Du, Laskaro! du, Laskaro!

Der du Frankreich und Hispanien

Von dem Atta Troll befreit hast,

Du bist beider Länder Held,

Pyrenäen-Lafayette!«

Als Laskaro solchermaßen

Offiziell sich rühmen hörte,

Lachte er vergnügt im Barte

Und errötete vor Freude,

Und in abgebrochnen Lauten,

Die sich seltsam überstürzten,

Hat er seinen Dank gestottert

Für die große, große Ehre!

Mit Verwundrung blickte jeder

Auf das unerhörte Schauspiel,

Und geheimnisvoll und ängstlich

Murmelten die alten Weiber:

Der Laskaro hat gelacht!

Der Laskaro hat errötet!

Der Laskaro hat gesprochen!

Er, der tote Sohn der Hexe! –

Selbgen Tags ward ausgebälgt

Atta Troll und ward versteigert

Seine Haut. Für hundert Franken

Hat ein Kürschner sie erstanden.

Wunderschön staffierte dieser

Und verbrämte sie mit Scharlach,

Und verhandelte sie weiter

Für das Doppelte des Preises.

Erst aus dritter Hand bekam sie

Juliette, und in ihrem

Schlafgemache zu Paris

Liegt sie vor dem Bett als Fußdeck.

O, wie oft, mit bloßen Füßen,

Stand ich nachts auf dieser irdisch

Braunen Hülle meines Helden,

Auf der Haut des Atta Troll!

Und von Wehmut tief ergriffen,

Dacht ich dann an Schillers Worte:

Was im Lied soll ewig leben,

Muß im Leben untergehn!

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