Ungekürztes Werk "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" von Heinrich Heine (Seite 34)
V
Aus dem Spuk der Hexenwirtschaft
Steigen wir ins Tal hinunter;
Unsre Füße fassen wieder
Boden in dem Positiven.
Fort, Gespenster! Nachtgesichte!
Luftgebilde! Fieberträume!
Wir beschäftgen uns vernünftig
Wieder mit dem Atta Troll.
Wie gewöhnlich hockt der Alte
In der Höhle, bei den Jungen;
Diese liegen rings und schlafen
Mit dem Schnarchen der Gerechten.
Nur der Junker Einohr wacht,
Lauschend auf das Wort des Vaters,
Welcher misanthropisch wieder
Auf die Menschheit raisonniert.
»Ja, mein Sohn, am meisten ärgert
Mich der exklusive Hochmut
Jener aufgeblasnen Wesen,
Wenn sie Weltgeschichte schreiben.
Niemals ist von unsereinem
Hier die Rede, kaum erwähnen
Sie den Namen eines Pferdes,
Das getragen ihre Könge.
Läßt sich mal ein Mensch herab
Eines seiner Nebentiere
Im Gedichte zu besingen,
Zeigt sich wieder seine Selbstsucht:
Denn im Liede wie im Leben
Usurpiert er unsre Rechte,
Seine Subjektivität
Drängt sich vor in jedem Verse,
Und anstatt von einem Bären,
Den er feiern wollte, spricht er
Nur von sich und seinen kranken
Narretein und Hirngespinsten.
Dieses nennt er Ironie,
Und er lächelt – Ach, das Lächeln,
Jenes sauersüße Zucken
Um das Maul, ist unerträglich!
Wenn ich in dem Menschenantlitz
Das fatale Lächeln schaute,
Drehten sich herum entrüstet
Mir im Bauche die Gedärme!
Ja, noch weit impertinenter
Als durch Worte offenbart sich
Durch das Lächeln eines Menschen
Seiner Seele tiefste Frechheit.
Lächelt, schnippische Kanaillen!
Lächelt nur! Von Eurem Spotte,
Wie von Eurem Joch, wird endlich
Uns der große Tag erlösen.
Dächte jeder Bär, und dächten
Alle Tiere so wie ich,
Mit vereinten Kräften würden
Wir bekämpfen die Tyrannen.
Es verbände sich der Eber
Mit dem Roß, der Elefant
Schlänge brüderlich den Rüssel
Um das Horn des wackern Ochsen;
Bär und Wolf, von jeder Farbe,
Bock und Affe, selbst der Hase,
Wirkten einge Zeit gemeinsam,
Und der Sieg könnt uns nicht fehlen.
Einheit, Einheit ist das erste
Zeitbedürfnis. Einzeln wurden
Wir geknechtet, doch verbunden
Übertölpeln wir die Zwingherrn.
Einheit! Einheit! Und wir siegen,
Und ein Ende hat das Lächeln
Und das Monopol; wir gründen
Unsre große Republik.
Grundgesetz sei hier die Gleichheit
Aller Bestien auf der Erde,
Ohne Unterschied des Glaubens
Und des Fells und des Geruches.
Strenge Gleichheit! Jeder Esel
Sei befugt zum höchsten Staatsamt,
Und der Löwe soll dagegen
Mit dem Sack zur Mühle traben.
Was den Hund betrifft, so ist er
Freilich ein serviler Köter,
Weil Jahrtausende hindurch
Ihn der Mensch wie’n Hund behandelt;
Doch in unserm Freistaat geben
Wir ihm wieder seine alten
Unveräußerlichen Rechte,
Und er wird sich bald veredeln.
Ja, sogar die Juden sollen
Volles Bürgerrecht genießen
Und gesetzlich gleichgestellt sein
Allen andern Säugetieren.
Nur das Tanzen auf den Märkten
Sei den Juden nicht gestattet;
Dies Amendement, ich mach es
Im Intresse meiner Kunst.
Aber horch, mein Sohn, ertönte
Draußen nicht die holde Stimme
Deiner Mutter? Süße Laute!
Mumma! Meine schwarze Mumma!«
Atta Troll, mit diesen Worten,
Sprang vom Boden, und er stürzte
Aus der Höhle, wie’n Verrückter.
Ach! er stürzte in sein Unglück.