Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 125)
dringe und vor seinem reinen Strahl alle sündliche, frevelige Glut verlösche. Bei Aureliens Anblick überfiel mich heilige Scheu, ich wagte es nicht mehr, sie stürmisch zu liebkosen wie sonst. Aurelie bemerkte mein verändertes Betragen, ich gestand ihr reuig den Raub des Briefes an die Äbtissin; ich entschuldigte ihn mit einem unerklärlichen Drange, dem ich, wie der Gewalt einer unsichtbaren höheren Macht, nicht widerstehen konnte, ich behauptete, daß ebenjene höhere, auf mich einwirkende Macht mir jene Vision am Beichtstuhle habe kundtun wollen, um mir zu zeigen, wie unsere innigste Verbindung ihr ewiger Ratschluß sei. »Ja, du frommes Himmelskind«, sprach ich, »auch mir ging einst ein wunderbarer Traum auf, in dem du mir deine Liebe gestandest, aber ich war ein unglücklicher, vom Geschick zermalmter Mönch, dessen Brust tausend Qualen der Hölle zerrissen. – Dich – dich liebte ich mit namenloser Inbrunst, doch Frevel, doppelter, verruchter Frevel war meine Liebe, denn ich war ja ein Mönch und du die heilige Rosalia.« Erschrocken fuhr Aurelie auf. »Um Gott«, sprach sie, »um Gott, es geht ein tiefes unerforschliches Geheimnis durch unser Leben; ach, Leonard, laß uns nie an dem Schleier rühren, der es umhüllt, wer weiß was Grauenvolles, Entsetzliches dahinter verborgen. Laß uns fromm sein und fest aneinanderhalten in treuer Liebe, so widerstehen wir der dunklen Macht, deren Geister uns vielleicht feindlich bedrohen. Daß du meinen Brief lasest, das mußte so sein; ach! Ich selbst hätte dir alles erschließen sollen, kein Geheimnis darf unter uns walten. Und doch ist es mir, als kämpftest du mit manchem, was früher recht verderblich eintrat in dein Leben und was du nicht vermöchtest über die Lippen zu bringen vor unrechter Scheu! – Sei aufrichtig, Leonard! – Ach wie wird ein freimütiges Geständnis deine Brust erleichtern und heller unsere Liebe strahlen!« – Wohl fühlte ich bei diesen Worten Aureliens recht marternd, wie der Geist des Truges in mir wohne und wie ich nur noch vor wenigen Augenblicken das fromme Kind recht frevelig getäuscht; und dies Gefühl regte sich stärker und stärker auf in wunderbarer Weise, ich mußte Aurelien alles – alles entdecken und doch ihre Liebe gewinnen. »Aurelie – du meine Heilige – die mich rettet von ...« In dem Augenblick trat die Fürstin herein, ihr Anblick warf mich plötzlich zurück in die Hölle, voll Hohn und Gedanken des Verderbens. Sie mußte mich jetzt dulden, ich blieb und stellte mich als Aureliens Bräutigam kühn und keck ihr entgegen. Überhaupt war ich nur frei von allen bösen Gedanken, wenn ich mit Aurelien allein mich befand; dann ging mir aber auch die Seligkeit des Himmels auf. Jetzt erst wünschte ich lebhaft meine Vermählung mit Aurelien. – In einer Nacht stand lebhaft meine Mutter vor mir, ich wollte ihre Hand ergreifen und wurde gewahr, daß es nur Duft sei, der sich gestaltet. »Weshalb diese alberne Täuschung?« rief ich erzürnt; da flossen helle Tränen aus meiner Mutter Augen, die wurden aber zu silbernen, hellblinkenden Sternen, aus denen leuchtende Tropfen fielen und um mein Haupt kreisten, als wollten sie einen Heiligenschein bilden, doch immer zerriß