Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 126)
eine schwarze fürchterliche Faust den Kreis. »Du, den ich rein von jeder Untat geboren«, sprach meine Mutter mit sanfter Stimme, »ist denn meine Kraft gebrochen, daß du nicht zu widerstehen vermagst den Verlockungen des Satans? – Jetzt kann ich erst dein Inneres durchschauen, denn mir ist die Last des Irdischen entnommen! – Erhebe dich, Franziskus! Ich will dich schmücken mit Bändern und Blumen, denn es ist der Tag des heiligen Bernardus gekommen, und du sollst wieder ein frommer Knabe sein!« – Da war es mir, als müsse ich wie sonst einen Hymnus anstimmen zum Lobe des Heiligen, aber entsetzlich tobte es dazwischen, mein Gesang wurde ein wildes Geheul, und schwarze Schleier rauschten herab zwischen mir und der Gestalt meiner Mutter. – Mehrere Tage nach dieser Vision begegnete mir der Kriminalrichter auf der Straße. Er trat freundlich auf mich zu. »Wissen Sie schon«, fing er an, »daß der Prozeß des Kapuziners Medardus wieder zweifelhaft geworden? Das Urteil, das ihm höchstwahrscheinlich den Tod zuerkannt hätte, sollte schon abgefaßt werden, als er aufs neue Spuren des Wahnsinns zeigte. Das Kriminalgericht erhielt nämlich die Nachricht von dem Tode seiner Mutter; ich machte es ihm bekannt, da lachte er wild auf und rief mit einer Stimme, die selbst dem standhaftesten Gemüt Entsetzen erregen konnte: ›Hahaha! – Die Prinzessin von ...‹ – er nannte die Gemahlin des ermordeten Bruders unsers Fürsten –, ›ist längst gestorben!‹ Es ist jetzt eine neue ärztliche Untersuchung verfügt, man glaubt jedoch, daß der Wahnsinn des Mönchs verstellt sei.« – Ich ließ mir Tag und Stunde des Todes meiner Mutter sagen! Sie war mir in demselben Moment, als sie starb, erschienen, und tief eindringend in Sinn und Gemüt, war nun auch die nur zu sehr vergessene Mutter die Mittlerin zwischen mir und der reinen Himmelsseele, die mein werden sollte. Milder und weicher geworden, schien ich nun erst Aureliens Liebe ganz zu verstehen, ich mochte sie wie eine mich beschirmende Heilige kaum verlassen, und mein düsteres Geheimnis wurde, indem sie nicht mehr deshalb in mich drang, nun ein mir selbst unerforschliches, von höhern Mächten verhängtes Ereignis. – Der von dem Fürsten bestimmte Tag der Vermählung war gekommen. Aurelie wollte in erster Frühe vor dem Altar der heiligen Rosalia in der nahe gelegenen Klosterkirche getraut sein. Wachend und nach langer Zeit zum erstenmal inbrünstig betend, brachte ich die Nacht zu. Ach! Ich Verblendeter fühlte nicht, daß das Gebet, womit ich mich zur Sünde rüstete, höllischer Frevel sei! – Als ich zu Aurelien eintrat, kam sie mir, weißgekleidet und mit duftenden Rosen geschmückt, in holder Engelsschönheit entgegen. Ihr Gewand sowie ihr Haarschmuck hatte etwas sonderbar Altertümliches, eine dunkle Erinnerung ging in mir auf, aber von tiefem Schauer fühlte ich mich durchbebt, als plötzlich lebhaft das Bild des Altars, an dem wir getraut werden sollten, mir vor Augen stand. Das Bild stellte das Martyrium der heiligen Rosalia vor, und gerade so wie Aurelie war sie gekleidet. – Schwer wurde es mir, den grausigen Eindruck, den dies auf mich machte, zu verbergen. Aurelie gab mir mit einem