Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 181)

vielleicht es gar nicht im Sinn hatte, endete der begonnene Frevel mit dem Morde Euphemiens und Hermogens. Vielleicht war er schon wahnsinnig, wie Reinhold es behauptet, oder er wurde es dann auf der Flucht, gequält von Gewissensbissen. Das Kleid, welches er trug, und die Ermordung des Mönchs gestaltete sich in ihm zur fixen Idee, daß er wirklich ein Mönch und sein Ich zerspaltet sei in zwei sich feindliche Wesen. Nur die Periode von der Flucht aus dem Schlosse bis zur Ankunft bei dem Förster bleibt dunkel, so wie es unerklärlich ist, wie sich die Erzählung von seinem Aufenthalt im Kloster und der Art seiner Rettung aus dem Kerker in ihm bildete. Daß äußere Motive stattfinden mußten, leidet gar keinen Zweifel, aber höchst merkwürdig ist es, daß diese Erzählung dein Schicksal, wiewohl verstümmelt, darstellt. Nur die Zeit der Ankunft des Mönchs bei dem Förster, wie dieser sie angibt, will gar nicht mit Reinholds Angabe des Tages, wann Viktorin aus dem Schlosse entfloh, zusammenstimmen. Nach der Behauptung des Försters mußte sich der wahnsinnige Viktorin gleich haben im Walde blicken lassen, nachdem er auf dem Schlosse des Barons angekommen.« – »Haltet ein«, unterbrach ich den Prior, »haltet ein, mein ehrwürdiger Vater, jede Hoffnung, der Last meiner Sünden unerachtet, nach der Langmut des Herrn noch Gnade und ewige Seligkeit zu erringen, soll aus meiner Seele schwinden; in trostloser Verzweiflung, mich selbst und mein Leben verfluchend, will ich sterben, wenn ich nicht in tiefster Reue und Zerknirschung Euch alles, was sich mit mir begab, seitdem ich das Kloster verließ, getreulich offenbaren will, wie ich es in heiliger Beichte tat.«

Der Prior geriet in das höchste Erstaunen, als ich ihm nun mein ganzes Leben mit aller nur möglichen Umständlichkeit enthüllte. – »Ich muß dir glauben«, sprach der Prior, als ich geendet, »ich muß dir glauben, Bruder Medardus, denn alle Zeichen wahrer Reue entdeckte ich, als du redetest. – Wer vermag das Geheimnis zu enthüllen, das die geistige Verwandtschaft zweier Brüder, Söhne eines verbrecherischen Vaters, und selbst in Verbrechen befangen, bildete. – Es ist gewiß, daß Viktorin auf wunderbare Weise errettet wurde aus dem Abgrunde, in den du ihn stürztest, daß er der wahnsinnige Mönch war, den der Förster aufnahm, der dich als dein Doppeltgänger verfolgte und hier im Kloster starb. Er diente der dunklen Macht, die in dein Leben eingriff, nur zum Spiel – nicht dein Genosse war er, nur das untergeordnete Wesen, welches dir in den Weg gestellt wurde, damit das lichte Ziel, das sich dir vielleicht auftun konnte, deinem Blick verhüllt bleibe. Ach, Bruder Medardus, noch geht der Teufel rastlos auf Erden umher und bietet den Menschen seine Elixiere dar! – Wer hat dieses oder jenes seiner höllischen Getränke nicht einmal schmackhaft gefunden; aber das ist der Wille des Himmels, daß der Mensch der bösen Wirkung des augenblicklichen Leichtsinns sich bewußt werde und aus diesem klaren Bewußtsein die Kraft schöpfe, ihr zu widerstehen. Darin offenbart sich die Macht des Herrn, daß, so wie das Leben der Natur durch das Gift, das sittlich gute Prinzip in

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