Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 183)

»schwer waren die Prüfungen, die die Jungfrau zu überstehen hatte. Der Feind wollte sie verlocken zum Bösen, und alles, was die List der Hölle vermag, wandte er an, sie zu betören, daß sie, ohne Böses zu ahnen, sündige und dann, aus dem Traum erwachend, untergehe in Schmach und Verzweiflung. Doch die ewige Macht beschützte das Himmelskind, und mag denn der Feind auch noch heute es versuchen, ihr verderblich zu nahen, ihr Sieg über ihn wird desto glorreicher sein. Betet – betet, meine Brüder, nicht darum, daß die Christusbraut nicht wanke, denn fest und standhaft ist ihr dem Himmlischen ganz zugewandter Sinn, sondern daß kein irdisches Unheil die fromme Handlung unterbreche. – Eine Bangigkeit hat sich meines Gemüts bemächtigt, der ich nicht zu widerstehen vermag!« –

Es war klar, daß die Äbtissin mich – mich allein den Teufel der Versuchung nannte, daß sie meine Ankunft mit der Einkleidung Aureliens in Bezug brachte, daß sie vielleicht in mir die Absicht irgendeiner Greueltat voraussetzte. Das Gefühl der Wahrheit meiner Reue, meiner Buße, der Überzeugung, daß mein Sinn geändert worden, richtete mich empor. Die Äbtissin würdigte mich nicht eines Blickes; tief im Innersten gekränkt, regte sich in mir jener bittere, verhöhnende Haß, wie ich ihn sonst in der Residenz bei dem Anblick der Fürstin gefühlt, und statt daß ich, ehe die Äbtissin jene Worte sprach, mich hätte vor ihr niederwerfen mögen in den Staub, wollte ich keck und kühn vor sie hintreten und sprechen: »Warst du denn immer solch ein überirdisches Weib, daß die Lust der Erde dir nicht aufging? ... Als du meinen Vater sahst, verwahrtest du denn immer dich so, daß der Gedanke der Sünde nicht Raum fand? ... Ei, sage doch, ob selbst dann, als schon die Inful und der Stab dich schmückten, in unbewachten Augenblicken meines Vaters Bild nicht Sehnsucht nach irdischer Lust in dir aufregte? ... Was empfandest du denn, Stolze, als du den Sohn des Geliebten an dein Herz drücktest und den Namen des Verlorenen, war er gleich ein freveliger Sünder, so schmerzvoll riefst? Hast du jemals gekämpft mit der dunklen Macht wie ich? Kannst du dich eines wahren Sieges erfreuen, wenn kein harter Kampf vorherging? Fühlst du dich selbst so stark, daß du den verachtest, der dem mächtigsten Feinde erlag und sich dennoch erhob in tiefer Reue und Buße?« –

Die plötzliche Änderung meiner Gedanken, die Umwandlung des Büßenden in den, der, stolz auf den bestandenen Kampf, fest einschreitet in das wiedergewonnene Leben, muß selbst im Äußern sichtlich gewesen sein. Denn der neben mir stehende Bruder frug: »Was ist dir, Medardus, warum wirfst du solche sonderbare zürnende Blicke auf die hochheilige Frau?« – »Ja«, erwiderte ich halblaut, »wohl mag es eine hochheilige Frau sein, denn sie stand immer so hoch, daß das Profane sie nicht erreichen konnte, doch kommt sie mir jetzt nicht sowohl wie eine christliche, sondern wie eine heidnische Priesterin vor, die sich bereitet, mit gezücktem Messer das Menschenopfer zu vollbringen.«

Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu kam, die letzten Worte, die außer meiner Ideenreihe lagen, zu

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