Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 185)

aller Gewalt zusammen, ich schaute auf und erblickte Aurelien, vor dem Hochaltar kniend. O Herr des Himmels, in hoher Schönheit und Anmut strahlte sie mehr als je! Sie war bräutlich – ach! ebenso wie an jenem verhängnisvollen Tage, da sie mein werden sollte, gekleidet. Blühende Myrten und Rosen im künstlich geflochtenen Haar. Die Andacht, das Feierliche des Moments hatte ihre Wangen höher gefärbt, und in dem zum Himmel gerichteten Blick lag der volle Ausdruck himmlischer Lust. Was waren jene Augenblicke, als ich Aurelien zum erstenmal, als ich sie am Hofe des Fürsten sah, gegen dieses Wiedersehen.

Rasender als jemals flammte in mir die Glut der Liebe – der wilden Begier auf –: »O Gott – o, all ihr Heiligen! laßt mich nicht wahnsinnig werden, nur nicht wahnsinnig – rettet mich, rettet mich von dieser Pein der Hölle! – Nur nicht wahnsinnig laßt mich werden, denn das Entsetzliche muß ich sonst tun und meine Seele preisgeben der ewigen Verdammnis!« – So betete ich im Innern, denn ich fühlte, wie immer mehr und mehr der böse Geist über mich Herr werden wollte. – Es war mir, als habe Aurelie teil an dem Frevel, den ich nur beging; als sei das Gelübde, das sie zu leisten gedachte, in ihren Gedanken nur der feierliche Schwur, vor dem Altar des Herrn mein zu sein.– Nicht die Christusbraut – des Mönchs, der sein Gelübde brach, verbrecherisches Weib sah ich in ihr. – Sie mit aller Inbrunst der wütenden Begier umarmen und dann ihr den Tod geben – der Gedanke erfaßte mich unwiderstehlich. Der böse Geist trieb mich wilder und wilder – schon wollte ich schreien: »Haltet ein, verblendete Toren! Nicht die von irdischem Triebe reine Jungfrau, die Braut des Mönchs wollt ihr erheben zur Himmelsbraut!« – mich hinabstürzen unter die Nonnen, sie herausreißen – ich faßte in die Kutte, ich suchte nach dem Messer, da war die Zeremonie so weit gediehen, daß Aurelie anfing, das Gelübde zu sprechen. –

Als ich ihre Stimme hörte, war es, als bräche milder Mondesglanz durch die schwarzen, von wildem Sturm gejagten Wetterwolken. Licht wurde es in mir, und ich erkannte den bösen Geist, dem ich mit aller Gewalt widerstand. – Jedes Wort Aureliens gab mir neue Kraft, und im heißen Kampf wurde ich bald Sieger. Entflohen war jeder schwarze Gedanke des Frevels, jede Regung der irdischen Begier. – Aurelie war die fromme Himmelsbraut, deren Gebet mich retten konnte vor ewiger Schmach und Verderbnis. Ihr Gelübde war mein Trost, meine Hoffnung, und hell ging in mir die Heiterkeit des Himmels auf. Leonardus, den ich nun erst wieder bemerkte, schien die Änderung in meinem Innern wahrzunehmen, denn mit sanfter Stimme sprach er: »Du hast dem Feinde widerstanden, mein Sohn! Das war wohl die letzte schwere Prüfung, die dir die ewige Macht auferlegt!« –

Das Gelübde war gesprochen; während eines Wechselgesanges, den die Klaren-Schwestern anstimmten, wollte man Aurelien das Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die Myrten und Rosen aus dem Haar geflochten, schon stand man im Begriff, die herabwallenden Locken abzuschneiden, als ein Getümmel in der

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