Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 187)

die Augen auf. Der Maler stand hinter ihrem Haupte, auf das er seine Hand gelegt. Er war anzusehen wie ein mächtiger Heiliger, und alle, selbst die Äbtissin, schienen von wunderbar scheuer Ehrfurcht durchdrungen. – Ich kniete beinahe dicht an der Seite der Bahre. Aureliens Blick fiel auf mich, da erfaßte mich tiefer Jammer über der Heiligen schmerzliches Märtyrertum. Keines Wortes mächtig, war es nur ein dumpfer Schrei, den ich ausstieß. Da sprach Aurelie sanft und leise: »Was klagst du über die, welche von der ewigen Macht des Himmels gewürdigt wurde, von der Erde zu scheiden in dem Augenblick, als sie die Nichtigkeit alles Irdischen erkannt, als die unendliche Sehnsucht nach dem Reich der ewigen Freude und Seligkeit ihre Brust erfüllte?« – Ich war aufgestanden, ich war dicht an die Bahre getreten. »Aurelie«, sprach ich, – »heilige Jungfrau! Nur einen einzigen Augenblick senke deinen Blick herab aus den hohen Regionen, sonst muß ich vergehen, in – meine Seele, mein innerstes Gemüt zerrüttenden, verderbenden Zweifeln. – Aurelie! Verachtest du den Frevler, der, wie der böse Feind selbst, in dein Leben trat? Ach, schwer hat er gebüßt – aber er weiß es wohl, daß alle Buße seiner Sünden Maß nicht mindert – Aurelie! Bist du versöhnt im Tode?« – Wie von Engelsfittichen berührt, lächelte Aurelie und schloß die Augen. »Oh, – Heiland der Welt – Heilige Jungfrau – so bleibe ich zurück, ohne Trost, der Verzweiflung hingegeben! – O Rettung! – Rettung von höllischem Verderben!« So betete ich inbrünstig, da schlug Aurelie noch einmal die Augen auf und sprach: »Medardus – nachgegeben hast du der bösen Macht! Aber blieb ich denn rein von der Sünde, als ich irdisches Glück zu erlangen hoffte in meiner verbrecherischen Liebe? – Ein besonderer Ratschluß des Ewigen hatte uns bestimmt, schwere Verbrechen unseres freveligen Stammes zu sühnen, und so vereinigte uns das Band der Liebe, die nur über den Sternen thront und die nichts gemein hat mit irdischer Lust. Aber dem listigen Feinde gelang es, die tiefe Bedeutung unserer Liebe uns zu verhüllen, ja uns auf entsetzliche Weise zu verlocken, daß wir das Himmlische nur deuten konnten auf irdische Weise. – Ach! war ich es denn nicht, die dir ihre Liebe bekannte im Beichtstuhl, aber statt den Gedanken der ewigen Liebe in dir zu entzünden, die höllische Glut der Lust in dir entflammte, welche du, da sie dich verzehren wollte, durch Verbrechen zu löschen gedachtest? Fasse Mut, Medardus! Der wahnsinnige Tor, den der böse Feind verlockt hat zu glauben, er sei du und müsse vollbringen, was du begonnen, war das Werkzeug des Himmels, durch das sein Ratschluß vollendet wurde. – Fasse Mut, Medardus – bald, bald ...« Aurelie, die das letzte schon mit geschlossenen Augen und hörbarer Anstrengung gesprochen, wurde ohnmächtig, doch der Tod konnte sie noch nicht erfassen. »Hat sie Euch gebeichtet, ehrwürdiger Herr? Hat sie Euch gebeichtet?« so frugen mich neugierig die Nonnen. »Mitnichten«, erwiderte ich, »nicht ich, sie hat meine Seele mit himmlischem Trost erfüllt.« – »Wohl dir, Medardus, bald ist deine Prüfungszeit beendet –

Seiten