Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 188)

und wohl mir dann!« Es war der Maler, der diese Worte sprach. Ich trat auf ihn zu: »So verlaßt mich nicht, wunderbarer Mann.« –

Ich weiß selbst nicht, wie meine Sinne, indem ich weitersprechen wollte, auf seltsame Weise betäubt wurden; ich geriet in einen Zustand zwischen Wachen und Träumen, aus dem mich ein lautes Rufen und Schreien erweckte. Ich sah den Maler nicht mehr. Bauern – Bürgersleute – Soldaten waren in die Kirche gedrungen und verlangten durchaus, daß ihnen erlaubt werden solle, das ganze Kloster zu durchsuchen, um den Mörder Aureliens, der noch im Kloster sein müsse, aufzufinden. Die Äbtissin, mit Recht Unordnungen befürchtend, verweigerte dies, aber ihres Ansehens unerachtet, vermochte sie nicht die erhitzten Gemüter zu beschwichtigen. Man warf ihr vor, daß sie aus kleinlicher Furcht den Mörder verhehle, weil er ein Mönch sei, und immer heftiger tobend, schien das Volk sich zum Stürmen des Klosters aufzuregen. Da bestieg Leonardus die Kanzel und sagte dem Volk nach einigen kräftigen Worten über die Entweihung heiliger Stätten, daß der Mörder keineswegs ein Mönch, sondern ein Wahnsinniger sei, den er im Kloster zur Pflege aufgenommen, den er, als er tot geschienen, im Ordenshabit nach der Totenkammer bringen lassen, der aber aus dem todähnlichen Zustande erwacht und entsprungen sei. Wäre er noch im Kloster, so würden es ihm die getroffenen Maßregeln unmöglich machen, zu entspringen. Das Volk beruhigte sich und verlangte nur, daß Aurelie nicht durch die Gänge, sondern über den Hof in feierlicher Prozession nach dem Kloster gebracht werden solle. Dies geschah. Die verschüchterten Nonnen hoben die Bahre auf, die man mit Rosen bekränzt hatte. Auch Aurelie war, wie vorher, mit Myrten und Rosen geschmückt. Dicht hinter der Bahre, über welche vier Nonnen den Baldachin trugen, schritt die Äbtissin, von zwei Nonnen unterstützt, die übrigen folgten mit den Klaren-Schwestern, dann die Brüder der verschiedenen Orden, ihnen schloß sich das Volk an, und so bewegte sich der Zug durch die Kirche. Die Schwester, welche die Orgel spielte, mußte sich auf den Chor begeben haben, denn sowie der Zug in der Mitte der Kirche war, ertönten dumpf und schauerlich tiefe Orgeltöne vom Chor herab. Aber siehe, da richtete sich Aurelie langsam auf und erhob die Hände betend zum Himmel, und aufs neue stürzte alles Volk auf die Knie nieder und rief: »Sancta Rosalia, ora pro nobis.« – So wurde das wahr, was ich, als ich Aurelien zum erstenmal sah, in satanischer Verblendung nur frevelig heuchelnd, verkündet.

Als die Nonnen in dem untern Saal des Klosters die Bahre niedersetzten, als Schwestern und Brüder betend im Kreis umherstanden, sank Aurelie mit einem tiefen Seufzer der Äbtissin, die neben ihr kniete, in die Arme. – Sie war tot! – Das Volk wich nicht von der Klosterpforte, und als nun die Glocken den irdischen Untergang der frommen Jungfrau verkündeten, brach alles aus in Schluchzen und Jammergeschrei. – Viele taten das Gelübde, bis zu Aureliens Exequien in dem Dorf zu bleiben und erst nach denselben in die Heimat zurückzufahren, während der Zeit aber strenge zu fasten. Das Gerücht von der entsetzlichen

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